Kapitel 2

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„Hallo, mein Sohn." Ungläubig verzog ich das Gesicht und sah dem mir gegenüber sitzenden Mann skeptisch an. Er lächelte und trotzdem erkannte ich das es aufgesetzt und fake war. Es war nicht die eingebildete Art und Weise. Nein! Es schwang Trauer und Melancholie in seinen Zügen. Genau das war, was mich am meisten verwirrte. Entweder war mein Erzeuger ein richtig guter Schauspieler, oder etwas schien ihn tatsächlich nah ans Herz zu gehen. Ob es der Tod von Mutter war, oder das plötzliche wiedersehen mit seinem zurückgelassenen Sohn, den er seit damals kein einziges mal mehr kontaktiert hatte, wusste ich nicht.

Anstatt zu antworten nickte ich einfach begrüßend und blieb weiterhin stumm auf meinem Platz sitzen. Ich sah auf den Teller vor mir, den meine Tante mir soeben gereicht hatte und griff nach der Toastscheibe. Lustlos pulte ich an dem stück Weißbrot herum und schob das Spiegelei zurück auf die runde weiße Keramikplatte. Es war eine Angewohnheit von früher das ich das Beste zuletzt aß, welche bis jetzt noch tief in meinem Verhaltensmuster und meinem Unterbewusstsein verankert war. Meine Mutter hatte mich deswegen immer auf eine mütterliche art und weise ausgelacht, von wegen ich würde für immer ein kleines Kind bleiben.

„Wie ich sehe gibt es eine Sache die sich bei dir bis jetzt noch nicht verändert hat.", ich hörte förmlich sein lächeln aus seiner Stimme heraus und sah dann für einen kurzen Moment hoch. Mein Vater hatte mich bis jetzt musternd beim ‚essen' beobachtet und schmunzelte als er das zur Seite gelegte Spiegelei sah. „Früher hast du auch immer das Bacon von deinem Brot genommen um es für später aufheben zu können." Er beugte sich etwas vor und fing an mir durch die noch ein wenig feuchten Haare zu wuscheln. „Du bist wirklich groß geworden, Kookie."

Sprachlos ließ ich das Toastbrot fallen, welches ich mir eigentlich in den Mund schieben wollte. Was sollte das? Was genau ging hier gerade ab? Er war die Person die uns alleine gelassen hatte! Er war die Person die Mutter mit der Bürde sich selbst und mich noch dazu versorgen zu müssen, hier stehen gelassen hatte? Und nun? Nun nach all den Jahren tauchte er hier am Esstisch auf und tat ein auf fröhliche Familie. „Kein Wunder! Soweit ich mich noch erinnern kann sind wir uns seit 4 oder 5 Jahren nicht mehr begegnet, Mr Jeon."

Eiseskälte schwang in meiner Stimme mit, welche mein Gegenüber traurig zu Boden schauen ließ. Meine Tante war schon längst ins Wohnzimmer gegangen, weswegen sie mir dieses mal keinen Klaps auf den Hinterkopf geben konnte. Sie wollte mir und meinem Vater anscheinend ein wenig Freiraum geben, damit wir uns ‚ausreden' konnten. Die Hoffnung das ich mich ihm vielleicht anvertrauen würde schien zu groß zu sein, als das sie uns im Weg stehen wollen würde. „Ich weis das du mich wahrscheinlich hasst, Kookie. Und ich glaube das der Beschluss von mir und deiner Tante, dass du ab jetzt bei mir wohnen wirst dir nicht gefallen wird, und doch kann ich dir das alles nicht übel nehmen. Ich will dich auch nicht dazu zwingen, mich ab jetzt wieder als deinen Vater anzusehen und doch hoffe ich zu tiefst, dass du mir vielleicht eine einzige Chance noch geben könntest."

Bei dem gesagten weitete ich meine Augen. Bitte was? Zu ihm ziehen? Bei ihm wohnen? Wollte der mich verarschen? Wütend stand ich auf und schlug dabei mit meinen Händen auf die Tischplatte. „Und das wird einfach so über meinem Kopf hinweg beschlossen? Hab ich jetzt also kein Mitspracherecht, nur weil ich nicht volljährig bin, oder was?" Angepisst schob ich den Stuhl etwas zu heftig zurück an den Tisch und griff nach meinem Teller, welchen ich kurz darauf im Mülleimer entleerte und in die Spüle warf. „Jungkook. So ist das nicht...", fing mein Erzeuger auch schon an und stand auch schon langsam auf. Ich hingegen lehnte mich wütend gegen die Küchenzeile. „Ach nein? Dann erklären sie es mir, Mr Jeon! Ich bin schon 16 und hab meinen eigenen Willen! Vielleicht sollte dir schon längst aufgefallen sein das ich nicht mehr das 10 jährige kleine Kind von damals bin! Ich lass mich nicht mehr gegen meinen Willen herumschubsen!"

Ich wusste was für eine Lüge es doch war, wenn man bedachte wie oft ich mich schon von meinen Mitschülern geschlagen und herumschubsen lassen habe und trotzdem wollte und werde ich mich nicht von ihm abhängig machen lassen. Zu ihm ziehen würde so viel heißen wie ein neues Leben zu beginnen. In eine neue Stadt ziehen, eine neue Umgebung, neue Menschen, neue Probleme. Ich hatte kein Bock darauf die Stadt zu verlassen in der meine Mutter beerdigt wurde. Wer würde sich um sie kümmern? Sie war das einzige in meinem Leben das mir noch geblieben war, und nun? „Jungkook, hör doch mal..." Wütend stieß ich mich von der Theke ab und stampfte durch die Küche um in mein Zimmer zu kommen. „Nein, ich höre nicht! Erst recht nicht auf jemanden der seine Familie in stich und am anderen Ende des Landes versauern lässt!", schrie ich beinahe schon und schlug auch schon die Tür zu meinem Zimmer zu.

Ich wollte das nicht! Egal was er mir auch sagen würde, er würde mich niemals dazu bringen auch nur einen Fuß über die Stadtgrenze zu machen! „Und jetzt lassen sie mich bitte in ruhe, Mr. Jeon. Ich bin müde und würde gerne schlafen!" Sofort ließ ich mich auf mein Bett fallen und schnaufte genervt auf. Wieso auch musste dieser Kerl hier auftauchen und ein auf heile Welt machen? Er hatte sich nie bei uns gemeldet. Kein einziges mal. Wir waren ihm total egal. Wieso stand er also nun hinter meiner Zimmertür und wartete darauf das ich wieder aus dem Zimmer kommen würde um mit ihm zu sich zu fahren? Wieso machte er sich überhaupt die Mühen mich aufnehmen zu wollen? Und dann sein Geschwafel von wegen wie groß ich doch geworden bin.

Genervt schmiss ich ein Kissen gegen die Wand neben mir, war aber um einiges froh darüber das Mr. Jeon sich mit dem was ich gesagt habe anscheinend zufrieden gab, da er nicht den Anschein machte sich weiterhin mit mir darüber streiten zu wollen. Es blieb leise. Grummelnd griff ich nach meinem Handy und entsperrte es. Ein wenig scrollte ich durch das Social Media, in der Hoffnung mich dadurch etwas ablenken zu können. Es half nur für die nächsten fünf Minuten, denn wenig später ließ ich mein Smartphone auch schon auf mein Bett fallen. Für den Rest des Tages beschloss ich nichts zu tun, mich einfach ins Bett zu legen und alles was bis jetzt in meinem Leben geschehen war review passieren zu lassen. Ich war echt armselig...









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