Prolog

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Kennt ihr das? Durch eine einzige Sache die aus heiterem Himmel in eurem allzu langweiligen Leben geschah, wird eine ganze Lawine an schlechten Dingen ausgelöst. Es fängt alles mit der einen Sache an. Sie ist der Startschuss für das abwärts rollen eures Lebens. Wie beim Schneeballeffekt werden die Dinge die passieren immer größer und bedeutsamer, bis man von einer riesigen Welle an schlechten Dingen überrollt wird. Das schlimmste kommt meistens zuletzt. Ich konnte mich noch an Zeiten erinnern wo meine Sicht noch dem totalen Gegenteil glich. Damals als ich wusste das das beste an letzter Stelle kam. Damals, als ich die Nuggets auf dem Teller immer zuletzt gegessen habe, da es sowas wie mein Motto war. So konnte ich mich früher immer dazu überreden diese widerlichen Karotten die auf meinem Teller lagen zu verdrücken.

Das beste kommt zuletzt.

Und trotzdem wusste ich es nun besser. Mein schönes, entspanntest Leben war nun vorbei und das schon seit gefühlt Jahren. Alles begann als ich zehn war. Es fing mit kleinen Dingen an. Sachen die so umbedeutsam waren, wie man selbst auf dieser riesigen Welt, die einen förmlich zu verspotten schien. Es fing mit Bleistiften an, die ich Leuten aus meiner Klasse geliehen hatte und die ich danach nie wieder zu Gesicht bekommen habe. Wie gesagt, unbedeutend und total unnötig. Doch trotzdem zogen sich diese kleinen unbedeutenden Dinge durch mein Leben. Mein Hund starb, meine Noten wurden schlechter und Freunde fand ich auch immer weniger. Wieso? Nun ja... Ich konnte ziemlich schüchtern werden. Es fiel mir schwer von alleine auf Leute zu zu gehen und dementsprechend war ich wie ein unbemerkter Schatten. Sitzend in der hintersten Reihe. Mit immer schlechter werdenden Noten und einem Selbstbewusstsein gleich null.

Es fing alles klein an, häufte sich aber immer mehr auf und machte irgendwann aus Mücken Elefanten. Natürlich dachte ich mir anfangs nichts dabei. Ich hatte vielleicht kaum Freunde, aber trotzdem reichten mir die wenigen die ich hatte. Die, die mich so mochten wie ich war. Wenn ich so darüber nachdachte fing all das Elend schon viel früher an. Ich hätte mich nicht so krass an meine Freunde binden sollen... Denn wie das Schicksal es nun mal wollte, verlor ich sie sowieso.

Wie schon erwähnt fing alles mit zehn erst so richtig an. Nicht nur die kosten für meine fehlenden Bleistifte belasteten mich, den Jungen der sich mit seinem Geld das er bekam gerade mal sein Mittagessen leisten konnte, sondern auch der Umzug meines besten Freundes. Damals mit zehn verlor ich die einzige Person die mich so lieb hatte wie ich war und doch blieb ich Positiv. Wir hielten ein Jahr lang noch über Briefe und übers telefonieren Kontakt, doch nachdem mein Kumpel selber neue Freunde gefunden hatte war ich auch schon so gut wie vergessen. Er meldete sich nicht mehr und ich gab es auf ihm immer wieder hinterher zu laufen.

Jahrelang blieb ich alleine. Nachdem mein Freund weggezogen war, ging ich auf keine weitere Person mehr intensiver ein als nötig. Zu sehr hatte ich Panik davor diese Person wieder zu verlieren, sobald sich eine tiefere Bindung zwischen uns aufgebaut hatte. Was auch daran lag, dass zwei Jahre nach dem verschwinden meines Besten Freundes eine weitere Person mich in Stich ließ. Mein Vater hatte sich von meiner Mutter getrennt und verschwand von heute auf Morgen. Ich hatte seit ich 12 war keinen Kontakt mehr zu ihm, hatte sogar vergessen wie der Kerl aussah, der sich Vater schimpfte. Auch er meldete sich nicht mehr, war wie ein verblassender Traum nach dem aufwachen.

So lebte ich also bis zum 16 Lebensjahr. Es geschahen immer mal wieder Dinge auf die ich hätte verzichten können. Dinge wie Mobbing, Ausgrenzung oder Demütigung. Das war auch einer der Gründe, weswegen ich nie öfter als nötig raus ging. Wenn mich meine Mutter zwang, dann verschwand ich meistens für ein paar Stunden aufs Dach des Mehrfamilienhauses, darauf bedacht nicht von meiner Mutter gesehen zu werden. Kontakt zu anderen Menschen außer meiner Familie hatte ich nicht. Man sollte an dieser Stelle anmerken, dass mein Vater schon lange nicht mehr zur Familie gehörte. Nur auf dem Papier. Und trotzdem, nicht mal sie, die sich Familie nannten kannte ich. Sie selbst spielten einem immer vor einen zu mögen und zu wissen wer man war. Wieso sollte man sich also noch die Mühen machen jemanden kennen zu lernen, der einen selber nicht wirklich kennen lernen wollte. Einem sowieso immer nur die heile Welt vorspielte und hinter dem Rücken anfing über einem zu lästern.

Alleine lebte es sich für mich besser. Ich, die Person die sich so sehr vor anderen Leuten verschloss. Letztlich passierte das, was mich am meisten traf. Mich in die Verzweiflung schmiss. Es ist gerade mal zwei Wochen her. Zwei Wochen schon in denen ich übergangsweise mit meiner Tante wohnte, die zu meinem neuen Vormund wurde. Meine Mutter verstarb vor zweieinhalb Wochen. Es war nicht klar woran, da man sie tot und erdrosselt in einer Gasse in der Nähe unserer Wohnung vorfand. Tatsächlich war die Todesursache nicht das gewaltsame erwürgen, von dem man noch die Handabdrücke des Täters an ihrem Hals vorfand.

An dem Abend kam sie nicht zurück nach hause, weswegen ich mir sorgen gemacht hatte und losgegangen war um sie zu suchen. Drei oder mehr Stunden lief ich durch die Straßen und gab es kurz nachdem man das Mitternachtsglocken der Kirche gehört hatte auf. Doch sobald ich auch schon in Sichtweite meiner Wohnung war fand ich ein Haufen an Polizeiwagen -okay es waren nur zwei und ein Krankenwagen- vor meiner Haustür vor. Ab dem Moment ging alles ganz schnell. Sie hatten meine Mutter auf eine Liege verfrachtet, bedeckt mit einem weißen Laken. Die Polizisten kamen zu mir, nahmen mich erstmal mit aufs Revier um mich etwas über das Geschehene auszufragen und wenig später saß ich auch schon auf der Couch, meine Tante neben mir, die mir beruhigend über den Rücken strich.

Es zerriss mich von innen. Ich konnte sie nicht mal mehr ein letztes mal sehen. Man hatte sie sofort von mir weggebracht, in das nächste Krankenhaus. Man meinte das sich fachmännische Spezialisten um die Autopsie kümmerten, um herauszufinden wann und wie sie gestorben war. Man schloss darauf das es tatsächlich ein Mord war. Ein Mord bei dem es nicht mal einen Verdächtigen gab. Mir wurde gesagt das das Würgemal nicht mal das einzige war das meine Mutter an Verletzungen erlitten hatte. Kratzspuren und Bissspuren, als ob der Mörder seinen Hund auf sie gehetzt hätte waren auch vorzufinden. Und doch gab es keine Indizien darauf wer der Mörder sein könnte. Es war nicht mal klar ob es ein geplanter Mord war oder nicht...

Und so stehe ich nun hier. Vor dem großen Loch inmitten eines Friedhofes. Die Beerdigung war nun schon seit einer halben Stunden vorbei. Die wenigen Leute die vorbei gekommen waren um meiner Mutter die letzte Ehre zu erweisen waren teilweise schon wieder gegangen, nur meine Tante stand noch beim Priester und redete mit ihm, schluchzte einige Male noch in ihr feucht geweintes Taschentuch und bedankte sich für seine netten Worte und die Umstände, die er sich gemacht hatte. Dadurch das man den Körper meiner Mutter von der ziemlich lang andauernden Autopsie befreit hatte, wurde die Beerdigung eher spontan durchgeführt.

Hier saß ich nun. Vor dem Grab meiner Mutter. Der Person an der ich am meisten hing. Die einzige Person die ich noch in mein Herz geschlossen hatte und die dritte geliebte Person, mal abgesehen von meinem Hund damals, die mich nun verlassen hatte. Dies war der Moment an dem der Schneeball mir in Gesicht geprescht war und sofort war mir klar... Ein weiteres Mal würde ich mich nicht mehr auf eine Person einlassen. Nicht nochmal!



Lonely Wolf [bxb]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt