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Ellys süßes junges Blut pulsierte in meinen Venen. Mit jedem Schritt denich tat zehrte ich es auf. Das Blut meiner Schwester, schoss es mir durch denKopf, ihr Blut. Immer wieder spürte ich wie sie zusammenzuckte und ihre kleinenFinger sich in meinen Nacken krallten. Die Schmerzen mussten für sie, alskleines Kind, unerträglich sein. Ihr Körper war so leicht, dass ich dachte ichwürde nur eine blasse Puppe mit Ellys feinen Gesichtszügen in den Armen halten.Sie wimmerte in meinen Schal. Dieser Laut war herzzerreißend. Sie wisperteimmer wieder den Namen unsere Eltern, und mitten drinnen immer wieder meinen.

Ich spürte eine ihrer Tränen auf der Haut. Noch einmal stieß sie einen finalengedämpften Schrei aus, ehe sie kalt und schlaff in meinen Armen hang. IhreKörpertemperatur kühlte rasant ab, nicht einmal die Kleidung die sie trugkonnte ein wenig Wärme speichern. Ich weiß nicht wie lange es dauerte bis sieihre Augen aufschlug und mich fragend ansah. Ich weiß auch nicht woher sie diekraft genommen hätte um ihren Kopf überhaupt anzuheben. Alles schien sounwirklich und wie im Traum. Ihre langend dichten Wimpern klimperten verwirrt.Ich wollte gerade die Lippen öffnen um etwas zu sagen doch sie kam mir zuvor»Bin ich tot?« es waren ihre ersten Worte als Vampir.

Ich kann sie bis heutenicht vergessen. Weder wie sie es sagte noch wie sie mich dabei ansah. Es istin mein Gedächtnis eingebrannt, eine Dauerschleife die nicht unterbrochenwerden kann. Und wann immer sie mich fragend ansah kamen die Erinnerung an dasalles wieder hoch. »Wie kommst du darauf«, ich zittere leicht »Weil ich einenEngel gesehen habe«. Meine starren Lippen bebten von ausgesprochenen Worten.Mühevoll hastete ich weiter, bis schließlich die halb verfallenen St. PaulsKathedrale vor mir in den pechschwarzen, sternenlosen Himmel emporragte.

Wie ein stummes Ungetüm erschien es mir injeder Nacht. Meine von der Kälte geröteten Augen suchten verzweifelte denmenschenleeren Platz ab. Die leeren Stände und das drohende Schweigen derDezembernacht umgaben mich und meine Schwester. Ellys Atem wurde immer flacherund unregelmäßiger. Ihre Lider waren zugefallen. Mich beschlich die Angst, dassihr ohnehin schon geschwächter Körper, der von der Pest aufgezehrt worden waroder sogar noch tat, nun zu erfrieren drohte.

Ihre eiskalten Hände, die ummeinen Nacken geschlungen waren, schürten meine Sorge noch mehr. Panischdrückte ich sie noch fester an meinem Körper um sie zu wärmen. Ein tiefes,dumpfes Wiehern erklang aus der Dunkelheit. Angestrengt machte ich eine Kutscheaus, vor die zwei dunkelbraunen Pferde gespannt waren. Gemächlich trabten diezwei Tiere auf uns zu.

Der Kutscher, ein junger Mann mit schwarzen, kurzenHaaren und freundlichen, aber dennoch trüben grauen Augen, zog ruckartig an denZügeln, so dass die Pferde begleitet von einem erschrockenen Wiehern zum Stehenkamen. Kein Wort drang über seine Lippen. Die eisblauen Augen des Unsterblichenmusterten mich ungeduldig aus dem Fenster der Kutsche, im schwachen Scheineiner kleinen Laterne. »Steig schon ein, Junge«, forderte er mich auf. Ich kam dem nach und saß im nächsten Moment ihm gegenüber.

Meine Schwester schlief ruhig in meinen Armen. Der unbekannte Mann schlug zweimal gegen die Kutschenwand. Im nächsten Moment erklang die Peitsche des stummen Kutschers und das Galoppieren der Pferde. Ich brauchte einige Zeit um meine Furcht zu überwinden und sagte schließlich kleinlaut über das Rumpeln der Kutsche hinweg »Danke, Mr....«, der Unsterbliche kam mir zur Hilfe »Jaronas Asbury«.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt