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Unglaubwürdig starrte ich ihn an »Warum hast du es mir all die Jahrhunderte verschwiegen?« »Weil ich mir besseres vorstellen kann, als jemanden wie dich meine Familie nennen zu können, Vincent«. Erschöpft schüttelte ich den Kopf »Aber wir sind das einzige, was von unserer Familie übrig ist«. Lucien lachte auf »Du vergisst Eleonora. Meine Halb-Schwester«. Schockiert stammelte ich »Was zum Teufel redest du da?«. Dieser schien überrascht »Du weißt es gar nicht?«, er schloss die Augen »Jeder weiß, dass Eleonora von meinem Vater, Maximilian Bates, ist«.

Sofort widersprach ich ihm »Du redest vollkommenen Schwachsinn, Louis«, dieser knurrte jedoch nur »Nenn mich gefälligst Lucien, bevor ich dir überhaupt nichts mehr erzähle«. Völlig verwirrt begann ich im Raum auf und ab zu tigern »Das ist dich nur ein alberner Scherz von dir«, murmelte ich halblaut vor mich her. Lucien schüttelte den Kopf »Keiner deiner beiden Eltern hat braune Augen, aber mein Vater« »Das ist kein richtiger Beweis«, konterte ich gereizt »Meine Mutter hätte mir so etwas niemals verschwiegen«.

Lucien verschränkte die Arme und fuhr unbeirrt fort »Dazu kommt noch das kleine Muttermal an ihrem rechten Zeigefinger, das ich auch besitze«, er musterte es kurz »Und das die ganze Familie deiner Mutter blond ist und dein Vater, wie mein Großvater, schwarze Haare besaß«. Ich schloss die Augen, lehnte mich müde gegen den schwarzen Flügel und sah durch das Fenster in den strömenden Regen hinaus »Nein...«, flüsterte ich »Sie ist nur meine Schwester, Lucien«.

Er sprang von seinem Platz auf »Legen wir diese Diskussion nun zu Seite...«, schlug er auf mein langes Schweigen vor »Du hast mich ja noch gar nicht gefragt, wie ich zum Vampir wurde«. Entgeistert öffnete ich die Augen »Nachdem, was du mir gerade erzählt hast, ist das für mich zweitrangig«, erklärte ich und spürte wie sich meine Vergangenheit immer mehr in eine Lüge verwandelte. Lucien wirkte auf meine Antwort etwas beleidigt »Ich werde es dir trotzdem erzählen«, schlug er vor und setzte sich wieder.

Ich schenkte seinen Worten nur meine halbe Aufmerksamkeit, was ihm anscheinend egal war. »Du weißt ja, dass meine Mutter an einer Lungenentzündung gestorben ist«, begann er mit ruhiger Stimme »Und, dass meine Schwester Lilly mit gerade mal drei Jahren an der selben Krankheit verstarb«, ich nickte und seufzte leise »Ja ich weiß, genau wie das dein Vater danach zu Trinken begann«. Lucien lächelte grimmig »Du kannst dich also langsam wieder an mich erinnern, Vincent«, er legte seinen Kopf leicht schief

»Wie auch immer, ich lief von Zuhause weg und lebte ganze drei Monate auf den Straßen Londons, ehe mich Jaronas halb verhungert eines Nachts fand. Aus irgendeinem Grund nahm er mich auf und verwandelte mich, als ich siebzehn wurde. Ich sollte nicht vergessen zu erwähnen, dass ich ganze zahn Jahre als Mensch in diesem Anwesen voller Umtoter gearbeitet und überlebt habe«, seine Augen glänzten matt »Aber jetzt bin ich einer seiner engsten Vertrauten und sein Bote, dass ist auch der Grund wieso du mich nie bemerkt hast.

Ich kam immer nur kurz hierher zurück, mitten in der Nacht und stahl mich auch wieder vor Morgengrauen davon, ehe ich wieder Monate damit verbrachte Briefe und Relikte quer über Europa hinweg aufzulesen« »Wieso hast du dann mit mir vor ein paar Tagen geredet?«, wollte ich wissen und trat näher auf ihn zu »Weil ich nun für längere Zeit eine Pause einlegen werde. Jaronas war so gütig mir ein paar Monate Urlaub zu geben, wenn ich es so einfach bezeichne«, Lucien lachte plötzlich auf »Hätte ich aber gewusst, dass du mich ohnehin nicht wieder erkennst, hätte ich dir niemals diese offensichtlichen Hinweise gegeben und weiterhin meine Ruhe gehabt«.

Beleidigt verteidigte ich mich »Ich war gerade mal sechs Jahre alt, wie wir uns das letzte Mal gesehen haben!«. Er begann die alten Wunden wieder aufzuschürfen »Hättest du dann auch erkannt, dass Eleonora nur deine Halb-Schwester ist?«, wollte er wissen »Oder glaubst du es mir selbst jetzt nicht?«. Verärgert ging ich zur Tür »Auch wenn es so ist, ich werde immer gleich auf Elly Acht geben, Lucien«.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt