106

16 3 0
                                    

»Du wirst mich und Mutter ganz sicher nicht alleine hier zurücklassen, Jack Michael Stewart!«, erklärte Kate aufgebracht. Jack schlug mit geballter Hand gegen den Türrahmen des Salons »Sie kann sich doch sowieso nicht an mich erinnern. Es genügt, wenn ich nur drei Minuten den Raum verlasse«.

Kate fuhr aufgebracht durch ihr kastanienbraunes Haar. Lose Strähnen hingen ihr in das gerötete Gesicht »Du bist der einzige Mann im Haus. Wir brauchen dich «. Wütend begann sie die Teller, die sie zuvor abgespült hatte, wieder in das Regal zu räumen. »Du denkst immer nur an dich«, murmelte sie mit bebenden Unterton in der Stimme »Das war schon immer so«.

Zaghaft meldete ich mich zu Wort »Ich könnte eine Pflegerin und ein Hausmädchen...« »Wieso?«, unterbrach mich Kate fauchend »Ist es Ihnen hier etwa nicht sauber genug?«. Völlig überrascht setzte ich fort »Nein... nein, ganz im Gegenteil, es ist alles sehr ordentlich. Ich meinte nur, damit sie nicht all die ganze Arbeit alleine verrichten müssen, Miss Stewart«.

Sie warf mir einen giftigen Blick zu »Mr. Bates«, begann sie nun gekünstelt freundlich »Ich verstehe ihre Sorge um mich, aber ich bin schon bevor sie durch diese Tür traten eigentlich ganz gut alleine zurechtgekommen«. Mutlos ließ ich die Schultern hängen »Dann brauchen sie Jack doch eigentlich auch nicht, oder?«.

Gereizt schloss sie ihre Augen. Ihre langen schwarzen Wimpern glänzten matt im Licht der heruntergebrannten Kerze. Das leichte Rot ihrer Wangen machte mich wahnsinnig. Wie die zarten Blütenblätter einer jungen Rose wirkten sie in dem warmen orangenen Licht. Jack bemerkte meinen verträumten Blick und stieß seinen Ellbogen in meine rechte Seite.

Drohend flüsterte er »Wenn du sie anfasst, bringe ich dich um«. Genervt verdrehte ich die Augen »Ich will nichts von ihr«, verteidigte ich mich. Jack schnaubte verächtlich »Das kannst du meiner halbblinden Mutter erzählen«. Wie aufs Stichwort drang die gebrechliche Stimme von Mrs. Stewart die Treppe hinunter »Lilly mein Liebling, wo bleibt mein Tee?«.

Kate öffnete wieder die Augen. Hastig eilte sie zum Treppenende und rief hinauf »Mein Name ist Kate, Mutter. Und dein Tee ist gleich fertig, er muss nur noch ziehen«. Kurz herrschte Stille, bis Mrs. Stewart wieder fortfuhr. »Ach ja, Kate!«, ein Ausruf der Verwunderung lag in ihrer dünnen Stimme »Meine Nichte!«.

Kate schüttelte verständnislos den Kopf »Wenn sie nicht ihr ganzes Leben so gelitten hätte, würde ich ihr eigenhändig ihr Kopfkissen auf das Gesicht drücken«, stöhnte sie genervt und wandte sich wieder den Tellern zu. Jack verschränkte demonstrativ die Arme »Es ist mir egal, was du sagst Kate. Ich werde heute noch meine Sachen packen und verschwinden«. Sie ballte ihre zierlichen Hände zu Fäusten »Wie soll ich um alles in der Welt Geld verdienen und gelichzeitig mich um Mutter kümmern?«, wollte sie von ihrem Bruder wissen.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt