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Verwundert senkte ich meinen Blick. Die glasigen, grauen Augen des jungen Mädchen blickten mich starr und leblos an. Sie war blind. Mein hektischer Atem musste sie beunruhigt haben. Das Mädchen, um die sechs Jahre alt, besaß feuerrotes lockiges Haar, das sich deutlich von dem weißen Schnee abhob.

Ihre blasse Haut spannte sich über ihre Wangenknochen und die von Kälte aufgesprungenen Lippen besaßen einen bläulichen Ton. Sie trug nicht mehr als ein zerschlissenes Kleidchen aus dünnem Stoff und ein wollenes Tuch um die kleinen Schultern, das nur mehr losen Fäden glich. Mit leiser Stimme wiederholte sie ihre Frage. Mit zitternder Stimme antwortete ich knapp »Ja«.

Das Mädchen ließ den Stoff meines Mantels wieder los »Wo ist deine Mutter?«, fragte ich leise und spielte mit dem abscheulichen Gedanken ihr junges Blut zu kosten. »Ich weiß es nicht, Monsieur«, hastig streifte ich meinen Mantel ab und legte ihm den zitternden Mädchen um. Ich konnte sie nicht töten, geschweige denn sie der Kälte zu überlassen. Dankend zog sie den Mantel enger um ihren abgemagerten Körper

»Brauchen Sie ihn den nicht selbst?«, wollte das Mädchen wissen »Nein«, flüsterte ich mit ruhiger Stimme »Du brauchst ihn mehr als ich. In der linken Tasche, sage deiner Mutter wenn sie zurück gekehrt ist, sind dreißig englische Pfund«. Die gläsernen Augen des Mädchens füllten sich mit den Tränen »Das ist viel zu viel Monsieur... Das können wir unmöglich annehmen«.

Noch während ihrer letzten Worte, schlich ich mich davon. Ich hätte ihr noch mehr gegeben, aber das war alles was ich bei mir trug. Mit stechenden Kopfschmerzen erreichte ich den Plais de Realson.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt