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Elly sah mich verwirrt an »Warum...« »Ich hatte meine Gründe« gab ich als ehrliche einfache Antwort. »Komm, bis ins East End ist es nicht weit« ich trat auf die Straße, meine Schwester folgte mir nicht. Ohne mich umzudrehen sagte ich

»Natürlich nur wenn du es auch noch willst« ihr Schritte erklangen und als ich ihre zierliche Hand in meiner spürte ging wie los. Der Armut entgegen. Der Regen ließ nach und die Nebelfelder lichteten sich kurz vor zehn Uhr. Dies war auch der Zeitpunkt an dem wir das Armenviertel erreichten.

In einigen der einfach gebauten Hütten brannte noch Licht. Hätte ich gewusst was das Elendsviertel uns bat wäre ich nie in meinem Leben weitergegangen. Elly rümpfte die Nase und runzelte ärgerlich die Stirn. Ich war nicht sichtlich überrascht da es extrem stank.

Ihre plötzlichen Wörter überraschten mich jedoch, und zu gleich lief mir dabei auch ein kalter Schauer über den Rücken. Ohne mich anzusehen flüsterte sie hasserfüllt »Ratten« sie sah zu einem schäbigen Haus hinüber »Es wimmelt hier nur so vor ihnen«. Ich zog sie weiter.

Ich wollte so schnell es ging nach Hause da mich die durchnässte Kleidung zwar nicht frieren ließ aber eine gewisse Unruhe in mir aufkam. Ellys Worte hangen in meinen Gedanken wie Rauch, egal wie sehr ich versuchte ihn weg zu wehen er blieb in meinem Kopf. »Such dir schnell ein Opfer damit wir endlich heim gehen könne« forderte ich sie auf »Frierst du etwa oder ist dir die Gegend zu Dunkel?« feixte sie und lächelte.

Es war ein unheimliches Lächeln das nur Kinder zustande brachten. Langsam glitten ihre roten Lippen zurück und ihre Reißzähne kamen zum Vorschein »Beide deiner albernen Vermutungen muss ich leider abstreiten« sie zeigte nach vorne auf eine Behausung aus deren staubigen Fenstern nur gedämpft Licht drang.

Im Inneren musste nur eine Kerze angezündet sein. Ich trat hinter Elly auf die kleine Verander auf der sich volle Wäscheleinen spannten, wie auch immer die Bewohner dachten dass sie bei diesem Wetter trocknen würden. Aber ich verstand schnell dass die Familie andere Sorgen hatte als ich die Scheibe so unauffällig wie möglich mit dem Ärmel sauber wischte und mir so einen Blick ins Innere erhaschte. Ich bereue es bis heute.

All die Jahre, über zwei Jahrunderte in denen ich meine Reue so gut es ging vergessen hatte und nun dieser abscheuliche Anblick des toten fünfjährigen Mädchens und ihrer Familie die sich um sie scharrte. Ihr Bruder, oh Gott, ihr Bruder in meinem Alter hielt ihre kalte Hand.

Ich wagte mich noch genauer hinzusehen, ich quälte mich bewusst seelisch. Um ihre Hand war ein Rosenkranz geschlungen und ihr honigblondes Haar fiel in leichten Locken auf ihre Schultern. Der Tod hatte sein Werk bereits begonnen.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt