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Wie ein unschuldiger Engel, der aus einem Fresko an der Decke eines Palastes entsprungen war, stand sie in dem verschneiten Park neben mir. Unsicher rückte sie ihren Hut zurecht, der leicht verrutscht war, und strich sich eine Locke hinter das linke Ohr. Ihre Wangen färbten sich blass Rot, als ich ihr das Buch, dass vor ihren Füßen im Schnee lag, aufhob und ihr reichte. »Entschuldigen Sie, Madame«, bat ich beschämt.

»Nein, ich muss mich entschuldigen. Es war dumm von mir zu lesen anstatt auf den Weg zu achten«, ihre Röte wurde ein wenig intensiver. Das Mädchen blickte beschämt zu Boden. Als ich mich zum Gehen wandte, blickte sie hoch und bat fast flehend »Warten Sie, Monsieur«. Ich hielt inne drehte mich um. »Ich heiße Marie de Fleur«, nuschelte sie. »Vincent Adrian Bates«, stellte ich mich vor. »Sie kommen aus England?«, fragte Marie »Ja, aus London«, antwortete ich.

»Das erkennt man nicht nur an Ihrem Namen, sondern auch an Ihrem Akzent«, ich musste lächeln »Wollen Sie damit sagen, dass mein Französisch nicht perfekt ist?«. »Nein, nein... keines Wegs«, bestritt sie und verlor ein bisschen die Fassung »Ihr Französisch ist beachtenswert für einen Engländer...«. Maries Gesicht wurde noch röter »Damit will ich jetzt nicht sagen, dass Engländer keine guten Sprachenkenner sind... ich meine, ich habe selbst Verwandte dort... aber...«.

Sie verstummte von Peinlichkeit ergriffen. »Aber?«, stachelte ich sie an und musste wieder lächeln. »Können wir bitte das Thema wechseln?«, ersuchte Marie. Mein Blick wanderte zu dem gelben, Ledergebundenen Buch in ihrer Hand. Sie hatte es so festumklammert, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. »Darf ich fragen wie das Buch heißt?«, Marie lockerte ihren Griff um das literarische Werk. »Dracula«, erwiderte sie.

»Ist es gut?«, erkundigte ich mich weiter. Marie musste lächeln »Es kommt darauf an, ob Sie sich für Übernatürliches begeistern können« »Zu welcher Art Übernatürlichem? Geister?« »Vampire«, für einen kurzen Moment war es still zwischen uns. Marie wandte ihren Blick zu Boden »Ich verstehe, sie finden es albern. Vielleicht hat mein Vater recht, ich sollte wirklich aufhören solchen Unsinn zu lesen«. Anstatt ihr zu widerreden und ihr zu sagen das ich es überhaupt nicht albern fand, fragte ich einfach nur halblaut »Glauben Sie daran?«.

Sie blickte überrascht zu mir hoch und war im ersten Moment nicht ganz sicher, ob ich die Frage ernst meinte. »Ob ich an Vampire glaube?«, die Art wie sie es sagte, führte mich zu der Erkenntnis das Marie noch nie darüber nachgedacht hatte. Sie dachte ein paar Sekunden lang darüber nach »Ich weiß nicht«. Ich stützte mich auf meinen Spazierstock und musterte ihr nachdenkliches Gesicht. »Was ist mit Ihnen? Glauben Sie an solche Wesen?«, wollte sie wissen. Diese Frage löste in mir ein seltsames Gefühl aus. Zum Ersten

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt