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Maries blaue Augen waren gerötet. Ihr blondes Haar hatte an Glanz verloren und hing in losen Strähnen in ihre blasses Gesicht. Das weiße, aus Spitzenstoff gearbeitete Nachthemd, das sie trug, war zerrissen und von ihrem Blut und dem Staub der Katakomben befleckt. Wie ein hilfloses Kind kauerte sie am dreckigen Boden.

Ihr leerer, Angst erfüllter Blick war gerade aus in einen der Gänge gerichtet. Nur stumme Dunkelheit lag in ihm. Skeptisch stellte ich fest, dass Jaronas nirgends zu sehen war. Marie wandte ihren ausdruckslosen, starren Blick mir zu, als ich vorsichtig auf sie zu ging. Ihre dürren, mit Schrammen versehenen Hände hatte sie auf ihren Schoß gebettet.

Das wehleidige Schluchzen, das aus ihren aufgesprungenen Lippen drang, wurde etwas leiser. Mit dünner, zitternder Stimme flüsterte sie kaum merklich in die bedrückende Stille zwischen uns "Ich werde sterben". Sie senkte ihren Blick zu Boden, während eine kleine Träne über ihre Wange rann. Wie in Zeitlupe formte Marie mit den Lippen ein Wort. Ich verstand nicht, was sie mir sagen wollte und kniete mich neben sie.

"Was ist passiert? Bist du verletzt, Marie?", meine Stimme hallte dumpf von den Wänden wider. "Er...", antwortete sie verängstigt und deutete in den dunklen Gang. Hastig erhob ich mich, als sie mit heiserer Stimme fortfuhr "Er ist hier... er hat auf dich gewartet". Jaronas dunkle Umrisse hoben sich langsam von der Schwärze hinter ihm ab, als er in den orangen Lichtkegel der Fackel trat.

Sein fahles Gesicht wirkte in den tänzelnden Schatten uralt, während seine Augen wie ein unheimliches, blaues Feuer aufloderten. Meine Brust bebte vor Wut, als ich schließlich zu sprechen begann "Du verfluchter Teufel", brachte ich mit erstickter Stimme schmerzhaft hervor "Wieso bestrafst du sie für meine Fehler?".

Marie keuchte leise auf, als ich schützend meine Hand auf ihre linke Schulter legte. Jaronas schwieg eine kurze Weile, während sich seine steinernen Gesichtszüge lösten. "Begreifst du es denn immer noch nicht, Vincent?", in seinen Augen lag der schwache Glanz von Traurigkeit "Selbst nach all den Jahren?". Mein angestrengtes Schweigen bekümmerte Jaronas sichtlich und ließ seine kalte Fassade langsam bröckeln, wodurch ein gebrochener, alter Mann zum Vorschein kam.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt