12

65 8 0
                                    

Er legte das Buch beiseite und griff nach dem halbvollen Glas Scotch. Beide Handbewegungen geschahen wieder auf der linken Seite. »Mir würde es schon bei weitem genügen Englisch lesen und schreiben zu können«, gestand ich genügsam. Jaronas sah mich mit seinen eisblauen Augen durchdringlich an »Viele Vampire hier sprechen mehrere Sprachen«.

Er machte eine kurze Pause um einen Schluck von seinem Glas zu nehmen »Die wertvolle Zeit unserer Art bietet uns unzählige Möglichleiten uns alles zu lehren«. Amüsiert lächelte er in meine Richtung »Du wirst noch lange hier im Anwesen verweilen«, murmelte er. Ich setzte mich verwirrt auf und versicherte mit einer schrecklichen Vermutung im Hinterkopf »Ich bin mir sicher, dass ich hier und da Zeit finden werde mit Elly hierher zu kommen«. Kaum hatten diese Worte meinen Mund verlassen stand ich auf und wandte mich zur Tür.

»Du wirst nirgendswo hingehen«, Jaronas Stimme klang rau und kalt »Es scheint mir, als würdest du den Preis, ein Vampir zu sein, nicht erkennen oder bezahlen wollen«. Ich wandte mich um. Langsam wurde mir klar, dass nichts auf dieser Welt umsonst war und ich wortwörtlich meine Seele dem alten Teufel vor dem Kamin verkauft hatte. »Die Einsamkeit«, erklärteJaronas monoton »Ist doch ein fairer Preis, oder?«.

Ich spürte wie sich meine Hände wütend zu Fäusten ballten »Du kannst mich und Elly nicht aus den Händen unserer ahnungslosen Eltern reißen, wie ein schändliches Monster aus einem Kindermädchen«. Jaronas Blick war emotionslos und trüb »Ihr seid jetzt die Monster«, flüsterte er »Eine Gefahr für jeden Sterblichen. Denk doch nach,Vincent«, forderte er mich auf und erhob sich von seinem Platz

»Eleonoras Geist altert nicht. Es genügt nur ein kindlicher, unkontrollierter Wutausbruch und sie würde ihre eigene Mutter töten ohne auch nur dem Gefühl von Reue zu verspüren«.Ich wollte es nicht wahrhaben und schüttelte den Kopf »Nein, das würde sie niemals tun«. Meine Augen füllten sich mit Tränen »Sie würde niemals unserer Mutter weh tun«. Voller Zorn trat ich nach vor und sah Jaronas herausfordernd in die Augen »Ich kenne meine Schwester«. Jaronas wich nicht zurück sondern schürte meine Wut noch mehr

»Ihr werdet nie altern, wie willst du das deinenEltern erklären? Dort draußen werden immer noch unschuldige Seelen als Hexen verbrannt«, erinnerte er mich »Ihr werd ein gefundenes Fressen für die Kirche um ihre idiotische Ideologie zu untermauern das es den Teufel gibt«. Wie schweres mir auch fiel, aber jedes seiner Worte entsprach der Wahrheit und ich musste dem zustimmen. Die bodenlose Wut in mir wich einer erdrückenden Trauer »Ich muss ihnen wenigstens noch Lebewohl sagen...«, flüsterte ich heiser »MeineMutter hat schon zu viele Kinder verloren um noch weitere Verluste verkraftenzu können«.

Jaronas überlegte kurz und kam schließlich zu folgendem Entschluss»Ich werde dafür sorgen, dass ihnen monatlich Geld zukommen wird, in eurem Namen. Aber dafür, werdet ihr eure Eltern niemals wieder aufsuchen oder euch auch nur in die Nähe von ihnen wagen«. Das einfache und niedergeschlagene »Ja« das darauf folgte, klang dumpf in meinen Ohren wider als ich es ausgesprochen hatte.

Ich war machtlos ihm gegenüber, das wusste ich jetzt. Es einfach hinzunehmen ist ein Verbrechen,aber ich hatte schon zu viel riskiert, um Elly und mein Leben jetzt noch zu gefährdend. Mit gesenkten Blick verließ ich den Salon und fand mich im nächstenMoment in Ellys Schlafzimmer wieder. Wie ein unschuldiger Engel lag sie in den weißen Lacken. Ihre Wangen leicht gerötet, ein Zeichen das wieder Leben in ihr war.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt