76

32 5 0
                                    

Er ging seelenruhig zu einem Beistelltisch hinüber und nahm eine Flasche zu Hand. Nachdem er sein eigenes Glas gefüllt hatte fragte er mich »Scotch?«. Ich murrte nur ein unverständliches Ja. Als er mir mein Glas, mit schottischem Whiskey bis zur Hälfte gefüllt, reichte sah er mich an als ob er sich versichern wollte, dass ich auch der richtige Vincent war.

Zögerlich nahm ich einen Schluck. Jaronas Blick war noch immer auf mich geheftet. Das Knistern im Kamin durchdrang die peinliche Stille zwischen uns. Da das Feuer die einzige lichtspendende Quelle im Zimmer war, warfen die züngelnden Flammen tiefe Schatten an die Wände die gespenstisch zu einer stummen Melodie tanzten.

Plötzlich erschütterte meine trockene Kehle der brennende Schmerz des hochprozentigen Alkohols und ich begann wild zu husten. Ich stellte das Glas hastig zur Seite und wartete röchelnd auf eine Erlösung des Brennens. Ich räusperte mich kurz als das Gefühl fast zur Gänze verschwunden war.

»Wie kannst du dieses Teufelszeug nur trinken?«, fragte ich unverständlich und hielt mir meine Kehle. »Der Trick dabei ist, den Scotch nicht zu lange auf der Zunge zu lassen«. Jaronas trank sein Glas in einem Zug leer und schenkte sich nach. Als er mir den Rücken zuwandte um dies zu tun, nahm ich mein Glas und nahm einen weiteren Schluck.

Dieses Mal verspürte ich kein Brennen, nur ein leichter Hauch des scharfen Geschmacks blieb in meinem Mund zurück. »Warum?«, fragte ich schließlich wieder »Warum was?«, gab Jaronas gekonnt ahnungslos zurück. »Wieso hast du mich und Elly von unseren Eltern einfach getrennt? Und wieso hast du mich damals in der Gasse nicht getötet?«, er seufzte als gäbe er auf es noch länger zu verschweigen.

»Jaronas?«, die fragende Stimme, die wie gewöhnlich leise und zögerlich um Einlas bat, unterbrach den lang ersehnten Moment, in dem ich alle Antworten bekommen hätte, mit einem grausamen Schlag. Alles war somit zunichte gegangen. Und jede weitere Sekunde in der mir das immer klarer wurde schnitt in mein Gewissen wie eine Scherbe.

Es tat verdammt weh. Am liebsten hätte ich Stephan den Kopf abgerissen als er schließlich mit seinen dunklen Augen fragend eintrat und mich und Jaronas stumm ansah. Ich war so nah davor ihn anzubrüllen. Alleine seine unglaublich ruhige Art machte mich rasend. Jaronas sah auf und stellte das Glas beiseite. »Was ist?«, Stephan trat einen Schritt zur Seite »Der juneg Schotte«, sagte er fast flüsternd.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt