170

27 3 0
                                    

Das getrocknete Blut auf meinen Lippen, fiel mir erst in der Spiegelung eines der Fenster, an Deck der Celtic auf. Hastig wischte ich es mit meinem Handrücken weg. Elly war indessen nach vorne zum Bug des Schiffes geeilt und kletterte auf das metallene Geländer. Erschrocken hastete ich ihr nach und packte ihren dunkelblauen Mantel. Verwundert wandte sie sich zu mir um. »Hast du denn vollkommen deinen Verstand verloren?«, wollte ich wissen und hob sie eilig auf meinen linken Arm. Der strenge Ton in meiner Stimme glich jedoch mehr einem besorgten. Meine Schwester schüttelte stumm den Kopf.

Etwas verärgert über meine Bemerkung begann sie zu schmollen. Dennoch saß Elly noch eine ganze Weile schweigend auf meinem Arm und starrte auf Marseille zurück, dass langsam hinter den Wellen verschwand. »Wer war der Junge?«, fragte sie mich schließlich nach einer ganzen Weile. »Wen meinst du?«, fragte ich lächelnd »Der Junge mit den gleichen Bisswunden am Hals, wie ich damals hatte, als du mich verwandelt hast«. Eine schneiden Kälte fegte über meinen Körper hinweg. Sie konnte sich unmöglich daran erinnern. »Du hattest nie Bisswunden«, log ich schließlich etwas verunsichert.

Meine Schwester verschränkte die Arme vor der Brust »Doch... ich hatte eine Wunde am Hals, dass konnte ich in der Spiegelscherbe über dem Bett in unserem alten Zuhause sehen«, ihre Stimme klang leicht verärgert. Ein unbehagliches Gefühl beschlich mich langsam »In deinem Zimmer in Highgate hast du...« »Nicht dort!«m unterbrach sie mich ungeduldig »In unserem richtigen Zuhause... Bei Mutter und Vater«. Mit einem Schlag begann ich zu frösteln »Du kannst dich an sie erinnern?«. Betrübt senkte sie ihren Blick »Ja, genau wie an diesen schlimmen Schmerz, als du mich gebissen hast«. Ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen »Seit wann kannst du dich erinnern?«. Ellys Hände klammerten sich um meinen Nacken »Kurz nachdem Kate bei uns eingezogen ist, hatte ich diese Albträume.

Immer wieder die gleichen...«, ich spürte wie ihr Körper zu zittern begann »Ich habe Blair davon erzählt, aber sie meinte, dass es nur Träume sind. Deshalb habe ich dir nie davon erzählt«. Tröstend drückte ich sie an mich und küsste ihre Wange »Ist schon gut, Elly. Es ist meine Schuld, ich hätte dir alles erzählen sollen«. Meine Schwester schniefte leise »Ich habe dich so lieb, Vincent«, flüsterte sie kaum merklich in mein Ohr. Eine Weile stand wir noch an Deck, bis sich die eisige Nacht schließlich über das Meer senkte und uns die nagende Müdigkeit in unsere kleine Zelle der dritten Klasse zerrte. Elly schlief nicht in ihrem eigenen Bett, sondern kroch unter meine Decke. Ich gewährte ihr dies gerne und spürte ihren ruhigen Herzschlag, als sie schließlich in einen tiefen Schlaf fiel.

Nach sieben Tagen von endlosem Meer erspähte ich am frühen Morgen des 8. Jänners endlich New Yorks dunkle Umrisse am Horizont näher kommen. Wie in den letzten Tage konnte ich nur sehr schlecht schlafen und geisterte deshalb an Deck des Passagierschiffes herum. Dank meiner vornehmen Kleidung, die die letzten Spuren meines einstigen Wohlstand erahnen ließ, konnte ich mich aus der dritten Klasse hinausschleichen ohne bemerkt zu werden. Mit einem müden Lächeln auf den Lippen blickte ich der Neuen Welt entgegen. Der wolkenlose Himmel färbte sich orange und ging über den Dächern von New York in ein blasses Blau über.

Die fremdartige Stadt weckte in mir eine unbegreifliche Neugierde. Ich wusste von einigen Vampiren, die nach dem Zerfall des Zirkel ebenfalls nach Amerika aufgebrochen waren. Doch New York schien bei allen das erste Ziel und das Auffangbecken aller sterblichen Einwanderer zu sein. Deshalb nahm ich mir vor, den dunklen Gassen aus dem Weg zu gehen. Ich wollte keinen Vampir in der Neuen Welt wissen lassen, dass ich und meine Schwester ihr Revier betraten. Es schien nur logisch, dass sich neue Zirkel gebildet haben würde. Mit neuen Anführern, die damals von Jaronas niedergedrückt wurden.

Seufzend kehrte ich zurück in den unteren Teil der Celtic und weckte Elly auf, die sich verschlafen die Augen rieb. »Wir sind bald da«, flüsterte ich aufgeregt »Ich kann New York schon am Horizont sehen«. Nur schwerfällig brachte ich Elly dazu, so früh aufzustehen. Ein kleinen wenig verärgert war sie auch über die Kälte, die draußen herrschte. Grummelnd knöpfte sie ihren Mantel zu und ging zum Bug nach vor. Ihre Wangen färbten sich rot, als ein heftiger, kalter Windstoß durch ihre Haar fuhr. »Vincent«, murrte sie mit bibbernder Stimme und stellte sich schützend hinter mich

»Mir ist kalt«. Mit einem schwermütigen Lächeln zog ich das grüne Seidentuch von Florence hervor und band es Elly als Schal um den Hals »Besser?«, fragte ich. Sie nickte und erklärte glücklich »Es riecht nach Rosen«.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt