29

40 4 1
                                    

Die fahlen, dunkelblauen Augen meiner Mutter schimmerten in einem ungewöhnlich hellen Glanz, als sie ihren Blick hob. Ich spürte durch dieses Band in unseren Seelen, wie ihr Herz zum ersten Mal seit langem in diesem erleichterten Rhythmus schlug.

Wie die endlosen, schlaflosen Nächte in ihren Erinnerungen verblassten. Und wie die Freude mich wieder zu sehen, ihr die Worte im Hals erstickte. Mit einem Mal drückte meine Mutter ihre knochige Hand auf ihren Mund, während eine kleine Freudenträne über ihre rechte Wang rann.

Sie schien vollkommen vergessen zu haben, was Richmond gesagt hatte und starrte mich nur mit glänzenden Augen an. Sie schien für einen kurzen Augenblick wieder jene Frau zu sein, die ich in Erinnerung hatte. Mit heiserer Stimme flüsterte sie schließlich »Vincent...«.

Auf meine Lippen zeichnete sich ein freundliches Lächeln ab »Ich bin nachhause zurückkehrt, Mutter«, ich senkte meinen Blick ein wenig »Auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick...« »Emily!«, die raue, aufgebrachte Stimme meines Vaters durchbrach wie ein Donnergrollen meine Worte.

Mit geballten Händen stand er plötzlich hinter meiner Mutter »Geh sofort weg von diesem Monster«. Er packte sie grob an den Schultern und wollte sie zurück ziehen, doch sie erkannte ihren Sohn »Nein, Adrian, lass mich zu ihm. Vincent ist endlich zu uns zurück gekommen...«

»Er ist nicht mehr unser Sohn«, erinnerte mein Vater sie an die Worte von Richmond. Mit einem kräftigen Bewegung stieß er meine Mutter hinter sich. Mit verhasster Miene wandte er sich mir zu »Sieh zu das du fortkommst. Kehr zurück zum Teufel du schändliche Enttäuschung«.

Ich wich zurück »Aber Vater...«, brachte ich unter Tränen hervor. Dieser packte mich und schleuderte mich voller Wut zu Boden. »Nenn mich nicht so«, knurrte er. Hastig kam ich zurück auf die Beine. Ein letztes Mal sah ich zu meiner Mutter hinüber, die völlig aufgelöst im Türrahmen kniete

»Adrian, lass ihn gehen...«, bat sie schluchzend, als mein Vater dabei war mir einen Schlag ins Gesicht zu verpassen. Mit glühenden Augen ließ er überraschender Weise von mir ab »Wenn dir dein gottloses Leben lieb ist, dann sieh jetzt zu, dass du hier auf der Stelle wegkommst«, drohte er.

Ich hörte auf seine Worte und verschwand hastig in jener Gasse, in der ich und Elly zum letzten Mal zur St. Pauls Kathedrale aufgebrochen waren. Meine Vergangenheit fror an diesem Tag für immer ein. Jede Erinnerung meines sterblichen Daseins verewigte sich in Eis. Alles menschliche in mir erstarb von dieser tödlichen Kälte. Und ich war mir sicher, dass es keinen Frühling geben würde.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt