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Ich stand da, als hörte ich den Namen Jaronas zum ersten Mal und versuchte mich zu erinnern. »Jetzt komm endlich«, sagte Benjamin packte mich am rechten Arm und zerrte mich aus dem Raum. Der Flur war bereits vollkommen verlassen, so dass man selbst das Knistern der Kerzen vernehmen konnte.

Benjamin drängte mich die Treppe hinunter und wir hasteten die letzten Meter in die Bibliothek. Die Tür war bereits geschlossen worden, so dass die menschlichen Dienstboten kein Wort mithören konnten. Als ich und Benjamin eintrat verstummten alle Stimmen und die versammelten Vampire wandten sich zu uns um. Die Röte schoss mir und Benjamin ins Gesicht.

Es waren in Wirklichkeit sicherlich nur ein paar Sekunden gewesen, doch für mich fühlte es sich an als wären wir dort mehrere Minuten gestand. Vollkommen erstarrt in dem Moment der Peinlichkeit. Wie kleine Kinder stellten wir uns beschämt in die hinterste Ecke des Raumes, doch nur, weil sich Benjamin gefasst hatte und mich, immer noch den Arm haltend, mit sich dorthin zog. Ich konnte nicht das geringste sehen weil.

Bevor Jaronas wieder mit seiner eigentlichen Rede begann, schickte er Stephan um mich nach vorne zu bringen. Ich fühlte mich wie ein Baby als Stephan mich durch die gaffenden Unsterblichen nach vorne brachte. Natürlich hörte ich die verachtenden Worte die sie mir zuraunten und meine Spitznamen: ,,Jaronas Liebling'', ,,Der Flegel des Zirkels'' und (mein persönlicher Favorit),,Das verzogene Findelkind''.

Vorne stand ein großer Eichentisch, dahinter, wie beim letzten Abendmahl, acht Stühle auf denen die Ältesten des Zirkels Platz genommen hatten. Jaronas hatte sich erhoben und wies auf einen leeren Sessel neben dem Tisch. Er befand sich nicht direkt daneben, sondern stand neben anderen an der Wand. Alle Augen waren auf mich gerichtet als ich zögerlich neben Lucien Platz nahm.

Niemand versperrte mir die Sicht von hier aus, es waren ,,Ehrenplätze'' auf denen ich bei jeder Verhandlung bisher gesessen hatte. Doch heute, da ich zu spät gekommen war, fühlte ich mich sichtlich unwohl dort. Jaronas fuhr fort »Da nun auch die Letzten unseres Zirkels...«, alle Blicke waren auf mich gerichtet »Zu uns gefunden haben, können wir endlich beginnen«. Jaronas fing damit an, dass er von dem erhaltenen Brief erzählte.

Er machte eine kurze Pause um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als er jeden Blick im Raum spürte sagte er im ernsten Tonfall »Der italische Zirkel ist Geschichte. Die Jäger haben ihn innerhalb einer einzigen Nacht ausgelöscht«. Leises Flüstern ging durch die Reihen. »Somit sind wir der letzte, wie auch älteste Vampirzirkel auf der Welt«, Jaronas ließ seinen Blick über die Gesichter schweifen. »Das letzte Mitglied des ehemaligen Zirkels, Julius, hat kurz vor seinem grausamen Tod den Brief verfasst.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt