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»Haben Sie etwas Nachsicht mit uns«, bat Kate nun etwas verzweifelter »Unser Vater wurde ermordet!«. Die Türklinke wurde hinunter gedrückt. Hastig trat ich einen Schritt zurück, um nicht von dem großgewachsenen, hageren Mann umgerannt zu werden, der aus der Tür eilte.

Missmutig stellte ich fest, dass es sich um den Zwangsvollstrecker Walton Camebridge handelte, der für die Wellington Estate Bank arbeitete. Ein Mann, den man nachsagte, dass er nie lächelte. »Aus dem Weg«, zischte er mich an. Auf halben Weg wandte er sich plötzlich um und murmelte nicht sonderlich erfreut »Mr. Bates«.

Ich sagte darauf nichts, sondern starrte ihn einfach nur mit hasserfüllten Augen an. Er tippte mit seinem linken Zeigefinger auf den Rand seines Zylinders »Noch einen angenehmen Tag«, wünschte er mir mit steinerner Miene und wandte sich zur Kutsche um. Doch es wäre nicht Sir Camebridge, wenn er nicht noch eine abfällige Bemerkung parat hatte. Ohne sich zu mir umzudrehen flüsterte er laut genug, dass ich es hören konnte

»Sie sollten ihre Geliebten mehr für ihre Dienste zahlen, damit ihre erbärmliche Familie nicht auf der Straße landet«. Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten und sah wie die Kutsche um die Ecke verschwand. Plötzlich spürte ich Kates zarte Hand auf meiner rechten Schulter »Was wollen Sie hier, Mr. Bates?«, fragte sie nicht sonderlich begeistert über meinen unangekündigten Besuch.

Mir blieben die Worte förmlich im Hals stecken. Stotternd wandte ich mich zu ihr um »Ich... ich wollte nur... also...«. Kate musterte mich skeptisch »Wollen Sie mir etwa Ihr Beileid aussprechen?«. Ich spürte meine taube Zunge und nickte »Ja... ich wollte Ihnen und Ihrer Mutter...« »Bemühen Sie sich erst gar nicht«, unterbrach Kate mich kalt »Mein Vater war ein Monster und ein hoffnungsloser Trinker noch dazu.

Er hat jede Sekunde Leid verdient«. Sie verschränkte die Arme und lehnte sich lässig gegen den Türrahmen. Nicht besonders damenhaft, dachte ich im Stillen. »Hat Ihnen Jack nicht von all dem erzählt Mr. Bates? Ich meine, mein Bruder scheint Ihnen ja ziemlich zu vertrauen«, stellte sie fest. Ich rang mir ein paar Worte ab »Ja, das hat er, aber er ist dennoch Ihr Vater«, Kate lachte abschätzig »Sie haben keine Ahnung«.

Sie blickte müde zu Boden »Haben Sie jemals gebrochenen Rippen gehabt?«, fragte sie nun etwas leiser »Nein«, antworte ich. »Mit jedem Atemzug den man nimmt, schmerzt es«, erzählte sie »Es ist ein verdammt höllisches Stechen, der einfach kein Ende nehmen will. Du redest dir sogar nach einer Zeit ein, das selbst jeder Herzschlag weh tut«. Sie verzog ihre schmalen Lippen ein wenig »Alles was dich am Leben hält schmerzt«. Mitfühlend betrachtete ich ihre dürren Hände »Mein Vater hat mich an jenem Abend halb Tod geprügelt.

Jack hat versucht ihn aufzuhalten. Aber wie besiegt man ein Monster, ohne selbst eines zu bekommen?«, ein kalter Schauer lief über meinen Rücken hinunter, als ich an die Schlagzeile dachte. »Mein Vater hat es verdient«, sagte Kate schließlich und fand ihre Fassung wieder. Hastig griff sie nach der Türklinke »Nun dann, Mr. Bates«, verabschiedete sie sich und schloss die Tür.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt