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Ich begann leicht zu zittern »Wissen Sie, wo ich sie finden kann?«. Die Bettlerin schüttelte schwer den Kopf »Niemand weiß es. Die beiden Geschwister sind spurlos verschwunden.

Ganz London munkelt bis heute darüber«, sie machte ein Kreuzeichen »Gott steh den beiden bei«, murmelte sie »Es heißt, der Teufel hätte sie geholt«. Ich sah mich um »Das ist bestimmt nur ein Schauermärchen um die Kinder zu erschrecken«, erklärte ich so unbekümmert wie möglich.

Die Bettlerin seufzte »Der alte Croft, dieser verrückte Schotte, hat anscheinend gesehen wie Vincent mit seiner Schwester in eine schwarze Kutsche gestiegen sind. Aber er redet so viel Unsinn, dass die Leute nur den Kopf darüber schütteln.

Wissen Sie, die Mutter der beiden ist vor lauter Sorge dem Wahnsinn verfallen und glaubt diesen Humbug auch noch«. Ein Schaudern lief über meinen Rücken hinunter »Wie ist ihr momentaner Geisteszustand?«, erkundigte ich mich.

Die Bettlerin schüttelte abermals den Kopf »Ich weiß es nur von den geschwätzigen Frauen, die hier ihre Waren verkaufen. Anscheinend geht sie wöchentlich zum Priester um ihre Kinder von dem Höllenfeuer zu bewahren«.

Die alte Frau machte wieder ein Kreuzeichen »Keine Mutter hat so etwas furchtbares verdient«. Eine Weile schwieg ich und reichte ihr schließlich ein paar weitere Münzen »Haben Sie vielen Dank«, verabschiedete ich mich. In meiner Naivität, hätte ich gedacht, dass mein Schuldgefühl durch diese Aktion vollkommen abflauen würde, jedoch kam es wie eine reißende Welle nur noch stärker zurück und zog mir den Boden unter den Füßen weg.

Eine Taubheit kroch in meine Brust, als würde mein Verstand versuchen den reißenden Schmerz zu betäuben. Benommen wandte ich der Kathedrale den Rücken zu. Ich wollte nur noch zurück nach Highgate, der brennende Durst in meiner Kehle war verebbt. Vollkommen achtlos starrte ich zu Boden und beschleunigte meinen Schritt.

Es half auch nichts mich mit dem Gedanken, dass sie anonym Geld von mir bekamen, zu trösten. Ich seufzte schwer und pilgerte einmal in Trauer versunken um die Kathedrale ohne auch nur den wenigen Menschen Beachtung zu schenken. In meiner kurzeitigen Abstinenz stieß ich plötzlich mit jemanden zusammen.

Obwohl es mir eher vorkam, als hätte der Mann mich absichtlich fast umgestoßen. Leicht verärgert über meine Vermutung hob ich meinen Blick und sah ihm herausfordernd in das überraschte Gesicht. Meine eisblauen Augen starrten in das geisterhaft blasse Gesicht meines Vaters.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt