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Im ersten Moment konnte, oder eher wollte, ich es einfach nicht wahrhaben. Das schien so surreal und unwirklich. Diese Lebensspanne übertrat bei weitem meine Vorstellungskraft. Eine gewisse Ehrfurcht breitete sich in mir aus. Tausende weitere Fragen fluteten meinen Geist und surrte unabkömmlich in meinem Kopf umher. War er der erste und älteste Vampir? Woher kam er? Und wo lag der Ursprung?

Meine Augen begannen neugierig zu funkeln. Traumbilder erschienen vor meinem inneren Auge. Meine Fantasie schien keine Grenzen zu erreichen. Jaronas erhob sich mir gegenüber von seinem Platz und griff nach einer gläsernen Flasche auf dem Kaminsims. »Scotch?«, fragte er mich ohne sich zu mir umzudrehen und schenkte ein Glas ein. »Nein, ich trinke keinen Alkohol«, lehnte ich ab.

Jaronas kehrte auf seinen Platz zurück »Zwischen dem schier unmöglichen Willen nichts zu trinken und es sich nicht leisten zu können liegt ein großer Unterschied, Vincent«. Etwas beleidigt über diese Bemerkung verschränkte ich meine Arme vor der Brust und verteidigte mich »Ich habe einmal schottischen Whiskey probiert, er schmeckt einfach nur ekelhaft«. Jaronas nahm einen großzügigen Schluck von dem Scotch und stellte dann das Glas beiseite.

Dabei stellte ich fest, dass er scheinbar Linkshänder war, da er, obwohl es aufbeiden Seiten seines Sessels Abstellmöglichkeiten gab, dennoch die linke Seite wählte und das Glas ohne eine unbedachte Erschütterung oder Zögern sicher auf den kleinen Tisch stellte. »Kommen wir zum Thema zurück: Nichts der albernen Märchen stimmt, bis auf den Mythos mit dem Biss«. Ich blickte zu Boden »Aber wie kann ein einfacher Biss...« »Das Gift«, erklärte Jaronas und unterbrach mich so von neuem

»Das in deinen Adern durch deinen Körper fließt ist der Grund dafür. Die geringe Dosis in deinem Speichel verwandelt Menschen. Wenn sie aber von unserem Blut kosten, wie viele glauben, dann...«, Jaronas hielt plötzlich inne. Sein Blick kreuzte meinen »Was?«, verlangte ich wissbegierig zu erfahren »Was passiert wenn ein Mensch unser Blut kosten würde?«. Jaronas Lippen bebten leicht als wüsste er es selbst nicht mehr.

Schließlich murmelte er nur »Es würde sie töten. Das gleiche gilt für uns Vampire, das Gift von einem anderen würde uns wegen einer Überdosis töten«. Argwöhnisch gab ich mich mit dieser Antwort vorerst zufrieden. Dennoch ließ einfach nicht das Gefühl nach, das er mir etwas verschwieg. Jaronas trank das Glas bis zur Hälfte leer. »Über das Gift solltest du noch eine Sache wissen. Etwas, dass das verwandeln betrifft«, Jaronas schien wieder Herr über seine Worte zu sein

»Es nimmt an Stärke ab, wenn es an eine neue Generation weitergegeben wird. Ich zähle zur ersten, du Vincent, zur zweiten. Das führt mich auch gleich zu der Erklärung, warum ich dich mit der Aufgabe deine Schwester zu verwandeln, beauftragt habe. Sie zählt zur dritten Generation die keine neuen Vampire erschaffen kann. Es wäre eine zu große Verantwortung für so ein kleines Mädchen wie sie.

Nicht einmal lehren, könnte ich es ihr. Da ihr Geist ebenso wie ihr Äußeres niemals altern wird. Die Sturheit eines Kindes wird immer bleiben«. Ich kniff meine Augen zusammen »Heißt das, ich kann jeden beliebigen Menschen...« »Die Gabe besitzt du vielleicht, aber nicht die Erlaubnis«, zerriss Jaronas meine übereiltenPläne, meine Mutter aufzusuchen.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt