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Kate seufzte leise, als sie ihren Kopf auf rechte meine Schulter legte. Ich hatte schon lange begriffen, dass sie nur eine Freundin bleiben würde. Eine sehr gute Freundin. Die Flammen im Kamin des oberen Salons spendeten genug Licht, dass ich sehen konnte, wie Jack über einem der Lexika von Graham brütete und gerade dabei war über das menschliche Herz zu lesen.

Kate bemerkte dies ebenfalls und gestand lächelnd »Du machst mir Angst, Jack. Weißt du das?«, dieser hob überrascht seinen Kopf »Inwiefern?« »Weil du die letzten Monate nur damit verbracht hast, diese albernen Bücher zu lesen und mit Graham Leichen zu sezieren«. Sie setzte sich auf und warf ihre braunen Haare auf eine Seite »Außerdem hast du seit Vaters Tod kein einziges Wort mehr geschrieben«. Jack schloss das Buch und legte es zur Seite »Ich weiß nicht über was«.

Ich antwortete ihm verwundert »In diesem Haus leben genug Vampire mit unerzählten Geschichten. Das muss doch als Inspiration reichen«. Mit einem schwerem Seufzen murmelte Jack nachdenklich »Unerzählte Geschichten sind die wertvollsten«, er lehnte sich in dem Armsessel zurück »Es wäre eine Schande diese zu Papier bringen« »Und da ist er wieder«, feixte Kate gut gelaunt »Mein kleiner Bruder, der neue Shakespeare«. Etwas beleidigt verschränkte Jack die Arme »Wieso musst du immer meine Träume bloß stellen?

Etwa, weil du selbst keine hast?«, seine Schwester dachte kurz nach ehe sie antwortete »Doch, dass habe ich«. Fragend musterte Jack sie »Und die wären?«. Sie verzog ihre Lippen zu einem erwartungsvollen Lächeln »Ich wollte schon immer New York sehen«, gestand sie. Ich räusperte mich »Es gab nur einen einzigen Vampir der jemals in der Neuen Welt reiste«, erzählte ich »Seine Name war Damien Croft«.

Kate sah mich überrascht an »Ich dachte, Vampire dürfen den Zirkel nicht verlassen?« »Das stimmt, also frag mich nicht, was wäre wenn er zurückkehren sollte nach London«. Sie legte wieder ihren Kopf auf meine rechte Schulter und sah in die orangenen Flammen des Kaminfeuers »Irgendwann werde ich dennoch nach New York reisen«, erklärte sie entschlossen »Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche«.

Jack begann zu grinsen »Vincent«, forderte er mich auf »Willst du auch noch deine Träume mit uns teilen?«. Über diese absurde Aussage musste ich lachen und hörte gar nicht, die Schritte die durch die Galerie eilten. Die Tür zum Salon wurde aufgerissen und die bebende Stimme von Benjamin Kingsley erfüllte den Raum. »Mrs. Stewart liegt im sterben«, eine eisige Kälte schlich sich in den Raum »Ein Bote war gerade hier«.

Kate sprang auf und eilte zur Tür »Ich muss zu ihr!«, verlangte sie aufgebracht und stürmt nach unten. Jack sah mich verzweifelt an »Ich habe es gewusst«, flüsterte er leise und erhob sich von dem Armsessel. Ich begleitete ihn hinunter in den Stall und kam seiner Bitte nach, mit ihm zu kommen. Als wir in den Warwick Way einbogen, sahen wir schon von weitem die nächste verheerende Überraschung. Das Stadthaus der Stewarts stand in Flammen. Jack begriff sofort, dass unter den Menschen vor dem Haus nicht seine Mutter war und sah im nächsten Moment schon, wie Kate von ihrem Pferd sprang und zum Eingang lief.

»Kate!«, schrie Jack und folgte ihr »Warte!«. Doch er traf auf taube Ohren und seine Schwester rannte dennoch in die brennende Ruine und wurde von den züngelnden Flammen eingeschlossen. Jack wandte sich ein letztes Mal zu mir um. In seinen Augen lag Angst, etwas das ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Eine verzweifelte, nagende Angst. Kurz nachdem er seiner Schwester gefolgt war, hörte ich das laute Krachen des einstürzenden Daches.

Ich wartete verzweifelt darauf, dass die beiden wieder aus dem riesigen Scheiterhaufen hervorkamen. Doch die Geschwister verließen nie wieder ihr Zuhause, dass bis in die Morgendämmerung hinein lichterloh brannte.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt