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Wir erreichten die Kutsche, bevor Marie erkundigte sich bei mir »Soll ich Sie ein Stück mitnehmen?«. Ich lehnte dankend ab und half ihr anschließend beim Einsteigen. »Schreiben Sie mir«, flüsterte Marie so dass der Kutscher es nicht hören konnte. »An welche Adresse soll ich die Briefe schicken?«, gab ich flüsternd zurück

»St. Gabrielles Boulevard 8«, antwortete sie lächelnd. »Au Revoir, Vincent«, verabschiedet sie sich »Au Revoir, Marie«. Der Kutscher ließ die Peitsche auf die zwei Pferde niedersausen. Mit einem widerspenstigen Wiehern setzten sie sich in Gang. Ich sah der Kutsche noch eine Weile nach, bis sie um eine Ecke verschwand.

Ich begann zu lächeln. Marie de Fleur. Ich roch noch immer ihr Parfüm, es umgab mich wie ein dicker Schleier und ließ mich an die dunkelvioletten Lavendelfelder in Südfrankreich denken. Wie gerne würde ich dort jetzt sein, anstatt hier in dem kalten Paris. Ich legte meine Träumereien beiseite. Ich musste so schnell es ging nach Hause um für Marie einen Brief zu verfassen.

Doch plötzlich begann meine Kehle zu brennen. Ich hatte seit fast einer Woche kein Blut mehr gehabt. Ich sah mich nach einem geeigneten Opfer um und wurde nach kürzester Zeit fündig. Auf der anderen Straßenseite bemerkte ich ein etwa achtzehnjähriges Mädchen das ohne Begleitung zu sein schien. Ich spürte wie meine Reißzähne in meinem Zahnfleisch pulsierten. Durst, schoss es mir durch den Kopf. Ich versteckte meine linke Hand auf meinen Rücken und überquerte die Straße.

Mein Spazierstock mit dem silbernen Rabenkopf schlug dumpf auf dem Pflasterstein auf. Die Rothaarige beschleunigte ihren Schritt, als ich ihr nach fünf Minuten immer noch dicht an den Fersen hing. Sie würde mir nicht entkommen. Das Mädchen verließ die belebte Straße und bog in eine entlegene Seitengasse ab.

Ein tödlicher Fehler. Sie versuchte panisch mich abzuhängen und begann zu laufen. Doch ihr Rocksaum war ihn im Weg und sie stolperte nach wenigen Metern. Als sie auf dem kalten, dreckigen Boden aufkam hörte ich wie es in ihrem rechten Handgelenk laut knackte. Doch anstatt dem stechenden Schmerz Beachtung zu schenken, versuchte das Mädchen aufzustehen.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt