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Aus dem kleinen Fenster, dessen Scheibe unten am linken Rand zerbrochen und mit alten Wollfetzen notdürftig gestopft worden war, drang der matte Schein einer Kerze.

In meinem alten Zuhause herrschte ein bedrückende Stille, die von Richmond durch ein ungeduldiges Klopfen an der Tür durchbrochen wurde. Kurze Zeit schien es, als wäre niemand zuhause. Die beiden tauschten argwöhnische Blicke aus. Mein Herz klopfte wie wild, während ich mit angehaltenem Atem hinter einem Stapel Holz, nur wenige Meter von ihnen entfernt, auf die Tür starrte.

Ihnen zu folgen schien leichtsinnig gewesen zu sein, doch ich konnte mich nicht länger von meinen Eltern fern halten. Es schien mir in diesem Moment schier unmöglich. Ich wollte nur noch einmal das Gesicht meiner Mutter sehen. Plötzlich ging die Tür auf und eine gebrechliche, in die Jahre gekommene Frau stand im Türrahmen.

Ihr blauen Augen glänzten trüb im Licht der Nachmittagssonne und ihr glanzloses blondes Haar hatte sich am Ansatz grau gefärbt. »Mrs. Bates«, begann Richmond »Ihr Mann hat nach uns verlangt«. Tränen stiegen mir in die Augen, meine Mutter war nur noch ein Häufchen Kummer, dass nun langsam beiseite trat und die beiden wortlos in das Haus ließ.

Ihre ganze Schönheit und Jugend war in der Trauer dahingesiecht. Kurz bevor sie die Tür schloss, hielt sie inne, als spürte sie meine Anwesenheit und starrte mit einem kurzen Aufflackern von Hoffnung in meine Richtung. Ich unterdrückte es, aufzuspringen und mich in die Arme meiner Mutter zu werfen.

Ihr zu sagen, dass ich und Elly lebten. Stattdessen blieb ich stumm und verharrte solange in meinem Versteck, bis sie die Tür wieder schloss. Erschöpft lehnte ich meinen Kopf gegen die Holzscheiten. Ich hätte niemals hier her zurück kommen sollen, ermahnte ich mich selbst. Ein leises Seufzen drang aus meinem Mund.

Mit wackeligen Knien erhob ich mich und sah, von meinem Standort aus, durch das staubige Fenster. Mein Vater saß mit dem Rücken zu mir an dem Tisch mit den beiden Männern und reichte Richmond einen kleinen Lederbeutel. Dieser nahm ein Geldstück heraus, musterte es genau und nickte dann zustimmend.

Nachdem er es McKlein gereicht hatte, trat meine Mutter heran und setzte sich etwas abseits meines Vaters an den Tisch. Richmond nahm ein kleines Buch hervor und legte es mit ernster Miene auf die Tischplatte.

Das dunkelrote Leder des Einbandes glänzte matt im Licht der halb herunter gebrannten Kerze. Ich konnte nicht hören was er sprach, aber es schien als sei es etwas Schreckliches, da meine Mutter bereits nach wenigen Worten ihre dürren Hände vor das Gesicht schlug.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt