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Eine Weile schwiegen wir beide darauf hin. Das einzige was zu hören war, war das Knistern des Kaminfeuers. Der rot-orangene Schein erhellte nur einen kleinen Umkreis und tauchte den restlichen Raum in eine bedrohliche Dunkelheit. »Erzähl mir von eurem Vater«, schlug Jaronas schließlich mit ruhiger Stimme vor.

Seine starrender Blick war auf das Feuer im Kamin gerichtet. Als ich nach einer ganzen Weile nichts antwortete, da ich fieberhaft darüber nachdachte was genau ich antworten sollte, fügte Jaronas noch hinzu »Ich muss wissen, was er dir bereits beigebracht hat«. Nachdenklich starrte ich zu Boden »Meine Mutter hat mir gelernt meinen Namen zu schreiben. Was meinen Vater betrifft, ist er nie wirklich zu Hause. Geschweige denn würde er seine freie Zeit für mich aufwenden«.

Jaronas nickte »Du kannst also ein wenig schreiben«, stellte er mehr als überrascht fest. Es war zu dieser Zeit mehr als ungewöhnlich das eine Frau, geschweige denn eine aus der ärmste Gesellschaftsschicht, lesen und schreiben konnte. »Gut...«, sagte er und verschränkte die Arme »Das ist bereits ein Anfang«.

Ich erinnerte mich noch genau, wie meine Mutter in der kalten Asche des Kamins meinen Namen schrieb. Wie fasziniert ich von den geschwungenenBuchstaben war und wie aufgeregt ich war, als ich es selbst versuchte. Wir hatten bestimmt den halben Vormittag auf den Boden kniend verbracht. Ich fragte sie, ob sie jedes Wort so »zeichnen« könnte. Meine Mutter hatte daraufhin müde gelächelt und erklärt, dass die Gelehrten und Mönche es konnten, aber sie selbst nur eine Handvoll Wörter »zeichnen« könnte.

Ich bat sie, ihren Namen zu schreiben. Während sie mit ihrem Zeigefinger über die Asche fuhr, bemerkte ich das schwache Glitzern einer Träne auf ihrer rechten Wange. Irgendetwas bekümmerte sie. Aber ich war zu klein gewesen, um zu verstehen dass sie um das tote Baby weinte, dass seit zwei Wochen draußen in der Kälte verscharrt lag. Das Baby, das meine erste kleine Schwester hätte sein sollen, wäre es nicht im Kindbett gestorben. Meine Mutter starrte eine ganze Weile auf ihren Namen ehe sie murmelte, dass sie mir zeigen wollte, wie ihre Großmutter geheißen hatte, wiewunderschön sie den Namen fand und das sie diesen eines Tages einer anderen Tochter geben würde.

Mit dem geschwungenen E ihres eigenen Namens, der Emily lautete, schrieb sie Eleonora in den schwarze Staub. Ich hatte ihr kurz darauf zugestimmt, dass es wirklich ein wunderschöner Name war. Daraufhin hatte sie mich in ihre Arme genommen und meine Stirn geküsst. Und mir anschließend erklärt wie wertvoll ich doch war. Ich schien vollkommen in Gedanken verloren gegangen zu sein, da ich nicht bemerkte hatte wie Jaronas aufgestanden war.

Inzwischen müde beobachtete ich wie er das Feuer im Kamin schürte »Und deine Schwester?«,fragte er und legte den Schürhaken beiseite. »Kann sie auch ihren Namen schreiben?«, ich schüttelte den Kopf. »Nein, mein Vater hat es meiner Mutter untersagt es ihr beizubringen, da sie mir schon den Geist damit verdorben hatte und ich ständig meine Zeit damit vergeudete, zu versuchte, die Gelehrten heimlich zu belausche und meinen Wortschatz zu erweitern.

Aber ich denke, da sie begeistert von Büchern ist, sie gerne jedes Wort aus ihnen heraus lesen und schreiben könnte«. Jaronas ging zum Bücherregal hinüber und zog ein Ledergebundenes Buch heraus »Hast du jemals ein Buch in deinen Händen gehalten, Vincent?«.Ich verneinte und bemerkte eine kaum merkliche Enttäuschung in Jaronas Augen.»Was wäre, wenn ich dir das Lesen beibringe?«, ich war sichtlich überrascht als er mir das Buch ohne weitere großen Worte reichte. Vorsichtig, als wäre es das wertvollste der Welt, nahm ich es entgegen.

»Ich würde am liebsten sofort anfangen es zu lernen«, antwortete ich auf seine Frage. Während ich die erste Seite aufschlug erzählte ich »Meine Mutter hat mir erzählt, dass es wundervolle Geschichten und Sagen in Büchern gibt. Von Reisen und Abenteuern«. Neugierig musterte ich die schwarze Tinte auf dem rauen Papier. Gefesselt starrte ich auf die Handschrift. So fest, als würde ich plötzlich wie durch ein Wunder lesen können.

Doch dies passierte natürlich nicht. Nach einer Weile gab ich auf und schloss das Buch wieder. »Es ist auf Latein«, erklärte Jaronas »Eine tote Sprache aus der Antike. Dennoch ist sie im Gebrauch der Kirche«. Ich reichte ihm das Buch wieder »Gibt es auch welche auf Englisch?«, wollte ich neugierigwissen und blickte zu dem Bücherregal hinüber. »In der Bibliothek des Anwesensgibt es Bücher in fast allen Sprachen der Welt«, sagte Jaronas »Und du wirst ein paar davon eines Tages lesen können«.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt