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Ich spannte meine schmerzenden Muskeln an und kniff meine brennenden Augen fest zusammen. Das raue Seil schnitt in meine Haut. Währenddessen sprach der Mann mit der Narbe mit fester, kalter Stimme zu der Menge. Eine unheimliche Stille legte sich über den kleinen Platz.

»Vincent Adrian Bates, Sohn von Adrian Bates, wird beschuldigt den Bäcker Georg Petergate am heutigen Morgen bestohlen zu haben. Seine Strafe sind sechzehn Peitschenhiebe«, seine dunklen Augen, die denen eines Bären glichen, schweiften mit prüfenden Blick über die Menschen

»Dies soll euch eine Lehre sein«. Er senkte ein wenig seine Stimme »Für alle von euch«. Im nächsten Moment packte er blitzartig meinen Haarschopf »Bete zu Gott, dass er dir deine frevelhaften Sünden vergibt«.

Mit einem abschätzigen Blick gab er dem Henker, der keine Sekunde länger warten wollte, ein kurzes Handzeichen. Ich begann schlagartig zu frösteln und biss so fest auf meine Unterlippe, dass ich Blut schmecken konnte. Zitternd wagte ich es meine Augen kurz zu öffnen und erblickte meine Mutter, die um Gnade flehend nur wenige Meter vor mir auf die Knie fiel.

Ihr hellblondes Haar, jenes das auch ich besaß, hatte sich aus ihrem Zopf gelöst und hing in wirren Strähnen in ihr Tränen überströmtes Gesicht. Sie wirkte auf einmal so klein und zerbrechlich. Während sie hilflos im Staub des Platzes kniete flüsterte sie immer wieder das selbe »Er ist doch noch ein Kind«.

Im Schatten der Spätnachmittagssonne sah ich, wie der Henker die Peitsche mit ruhiger Hand erhob. Eine alte Frau mit bereits ergrautem Haar schüttelte verständnislos den Kopf. Ihr faltiges Gesicht wirkte nachdenklich und von Kummer geplagt. Der kleine Junge neben ihr, schmiegte sich, den Tränen nahe, an seinen Vater.

Dieser wiederum lächelte nur amüsiert und forderte seinen Jungen auf endlich hinzusehen. Ich keuchte auf. Mit einem surrenden Geräusch ging die Peitsche auf meinen Rücken hernieder. Ich krümmte mich vor Schmerz, als die Seile tief in mein Fleisch schnitten. Ein Rinnsal warmes Blut rann über mein Rückgrat hinab.

Wie durch ein Wunder, schaffte ich es meinen Mund tapfer geschlossen zu halten. Stumm erwartete ich den nächsten Schlag. Ich wollte meinem Vater nicht diese Genugtuung bieten. Ich wollte ihm beweisen, dass ich kein jämmerliches, schwaches Stück Nichts war, wie er immer und immer wieder von mir abschätzig behauptete.

Vielleicht wäre der Henker damals gnädiger gewesen, wenn ich um Gnade gewinselt hätte. Es schien, als würde ihn mein Schweigen erzürnen. Der zweite Hieb verlangte doppelt so viel Selbstcourage von mir ab.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt