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Er flüsterte erzürnt ein paar Schimpfwörter. Ich stand währenddessen im Türrahmen und passte auf, dass niemand kam. Schließlich wurde Lucien fündig. Ich hörte ein leises Zischen und sah im Augenwinkel einen blassen, schimmernden orangen Lichtschein. Ich wandte mich kurz um und sah Lucien eine Schublade nach der anderen aufzureißen.

Ich bemerkte seine glasigen Augen. Er legte nach wenigen Sekunden eine kleine Schatulle auf die Arbeitsfläche des Tisches. Mit einem leisen Klicken öffnete er den Verschluss und ein Wirrwarr aus Schlüsseln in den unterschiedlichsten Größen und Formen kam zum Vorschein.

Seine Hände zitterten leicht. Da fiel mir wieder die Narbe ins Augen. Ich wollte Lucien gerade fragen, durch welche Verletzung sie entstanden war, doch ich hörte Schritte auf der Treppe. »Verdammt, da kommt jemand«, zischte ich und biss mir auf die Unterlippe. Lucien sah zu mir hinüber, in seinen Augen lag ein Hauch von Panik.

Er sah sich um und überlegte kurz. »Mach die Tür zu«, befahl er schließlich mit scharfen Tonfall und nahm die Schatulle an sich. Bevor ich die Tür schloss, sah ich noch einen Schatten um die Ecke kommen. Lucien fiel auf die Knie und begann die heruntergefallenen Blätter und Bücher wieder zu stapeln. Nachdem er sie innerhalb von Sekundenbuchteilen wieder unordentlich auf den Schreibtisch gelegte hatte stürzte er förmlich auf das rechte Bücherregal zu.

Er fuhr die Buchrücken mit seiner Hand entlang, bis er bei einem dunkelroten stehen blieb. Durch den Teppich auf dem Flur konnten wir die Schritte nicht mehr hören und wussten dadurch nicht wie weit die Person noch entfernt war. Lucien zog den Buchrücken zur Hälfte heraus. Ich wusste ja, dass Jaronas einen geheimen Tresor hinter der Ansammlung von alten Büchern besaß, aber dass es noch einen zweiten Geheimschalter gab, noch dazu im Bücherregal direkt daneben, nicht.

Das gesamte Regal schwang ein Stück zur Seite. Lucien nahm die Kerze vom Schreibtisch und deutete mir wortlos, dass ich ihm folgen sollte. Noch im selben Moment, als ich die Geheimtür von Innen zuzog, hörte ich die Arbeitszimmertür. Erleichtert atmete ich aus. Ich fand mich in einem schmalen, schummrigen Gang wieder.

Die kleine schwache Flamme der Kerze tanzte zitternd um den Docht. »Wo sind wir hier?«, fragte ich Lucien kaum hörbar. »In einem Geheimgang«, antwortete er »Wo führt er hin?« »In den Salon direkt unter uns«. Lucien trat nach vorne und neigte die Kerze leicht zu Boden so das eine Treppe zum Vorschein kam. Sie bestand aus unförmigen Steinstufen die ungleichmäßig hoch waren.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt