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Die trübe Spätnachmittagssonne verschwand hinter den hohen Eichen des Parks und zauberte eine gespenstische Atmosphäre. Die dunklen Schatten, der dichten alten Bäume, legten sich auf die von Efeu überwucherten Mauern des Anwesens. Im Inneren war man bereits eifrig dabei die Kerzen anzuzünden und in den Kaminen Feuer zu entfachen.

Die beißende Kälte von Norden her kündigte einen langen Winter an. Währenddessen saß ich regungslos auf meinem Bett und starrte aus dem Fenster. Draußen hörte ich Stimmen. Einzelne Wortfetzen drangen zu mir durch: »Wir sollen in die Bibliothek...« , »Welche Gefahr soll...«, »Der Orden ist angeblich...« und »Dieses ganze verfluchtet Theater wegen diesem verdammten Jack's...«.

Letzteres führte dazu, dass meine Gedanken wild durcheinandergeschüttelt wurden. Nichts passte mehr zum Anderen. Die letzten Sonnenstrahlen gleißten noch einmal zwischen dem dichten Blattwerk hervor, bevor sie von der Abenddämmerung verschluckt wurden. Ich seufzte. »Kommst du auch, oder willst du noch länger sinnlos vor dich her starren?«, die Stimme, die aus dem Nichts gekommen war, erschreckte mich so sehr, dass ich panisch aufstand und über die linke Schulter nach hinten sah.

Mein Herzschlag beruhigte sich. Wieso hatte ich Benjamin nicht kommen hören? Benjamin Kingsley, der einzige neunzehnjährige Vampir, außer mir, in diesem Zirkel der mich ein bisschen verstand. Ich versuchte etwas darauf zu sagen, aber es war nur ein Satz, bestehend aus unvollständigen Wortfetzen »Ja... ich mein... wohin... ist e etwas schon so weit? Jack... weiß er schon...«.

Benjamin sah mich mit zusammengekniffenen Augen an und legte seinen Kopf leicht schief. Er musste mich für verrückt halten. Vielleicht war ich das auch schon. Zumindest grenzte mein Geist schon am puren Wahnsinn der letzten Stunden. Es würde so leicht gehen die, ohnehin schon verschwommenen Grenzen, auszuradieren.

Mit nur einem Wort oder dem bloßen Anblick von Jack wäre ich in Wentsworth in der Psychiatrie für Geisteskranke. »Komm endlich sonst verpassen wir es noch«, drängte Benjamin »Was verpassen?« »Die Neuigkeiten  vom italienischen Zirkel? Die Sache warum Jaronas, seit er von der Jagd zurückgekommen ist, jeden grundlos anschreit? Ich will endlich wissen was dort in Florenz passiert ist«.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt