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Als Stephan geantwortet hatte das er sich oben aufhalten würde, hörte man ein wildes Poltern die Treppe herauf. Ich warf einen flüchtigen Blick zu Jaronas hinüber der darauf zu warten schien das der verärgerte Besitzer der Stimme zu ihm kam.

Mein Lehrer machte keinen Anstand mein Zimmer zu verlassen und in sein Arbeitszimmer zu verschwinden. Die Tür zu meinem Zimmer wurde aufgerissen und ein Junge, um die achtzehn, und mit wilden hellblauen Augen betrat den Raum. »Lucien, wie war deine Reise?«, erkundigte sich Jaronas bestens gelaunt, als sei ihm die gereizte Stimmung des Jungen völlig entgangen.

Lucien warf seinen durchnässten Mantel achtlos zu Boden bevor er seine Antwort knurrte. Sie bestand aus weiteren Flüchen, dass er den verdammten Brief, wie er ihn bezeichnete, übergeben hätte und das Jaronas das nächste Mal selbst in dieses gottverlassene Florenz reisen sollte. Von seinen schwarzen lockigen Haaren tropfte das Regenwasser und rann über seine Stirn und den geröteten Wangen.

Mit mürrischer Miene warf er mir einen kurzen abschätzigen Blick zu als ob ich derjenige sei der gerade, völlig durchnässt und ohne jeglichen Respekt, herein geschneit gekommen war. Jaronas ging an mir vorbei. »Wir sollten in meinem Arbeitszimmer die Unterhaltung fortsetzen«, schlug er vor und machte dabei eine ausladende Geste Richtung Flur.

Lucien erwiderte nichts. Der Junge sah noch einmal gleichgültig auf seinen Mantel hinunter der zu seinen Füßen in einer kleinen Pfütze lag. Danach machte er am Absatz kehrt und folgte Jaronas kommentarlos in sein Arbeitszimmer. Da sich das Arbeitszimmer direkt neben meinem Schlafzimmer befand, hörte ich die Schimpfereien von Lucien und die beschwichtigenden Worte von Jaronas genau.

Er redete mit völliger ruhe auf den verärgerten Jungen ein. Mein Lehrer war schweigsam, hinterhältig und gefährlich schlau. In das hitzige Wortgefecht mischte sich das Klimpern von Münzen. Dann wurde es still. Ich hörte wie die beiden auf den Flur trat und in die gegen gesetzte Richtung von meinem Zimmer davongingen. Zögerlich warf ich einen Blick hinaus und entdeckte die beiden, am Ende des Gangs, im Salon.

Lucien streckte beide Hände dem Feuer im Kamin entgegen um sich zu wärmen. Währenddessen füllte Jaronas zwei Gläser mit Scotch. Und während er das tat, begann er von Jack zu erzählen. »Und du denkst wirklich das Vincent es schafft?«, fragte Lucien nach kurzer Zeit spöttisch und grinste. Sein blasses Gesicht war durch den Schein der Flammen in ein teuflisches rotorange getaucht.

»Das hat bisher jeder Unsterbliche geschafft«, entgegnete Jaronas und reichte ihm das Glas. Ohne sich zu bedanken führte Lucien es zu den Lippen und trank es bis zur Hälfte leer. Als er sein Glas beiseitestellte, um einen Brief aus seiner Tasche hervor zu holen, rutschte sein rechter Ärmel nach hinten.

Auf seinem Unterarm zeichnete sich eine unförmige Narbe von der blassen Haut ab. Die Zeit verlangsamte sich und das Bild der Narbe brannte sich in meinem Gedächtnis ein. Nicht, weil ich sie erschreckend fand, sondern weil ich fieberhaft versuchte mich daran zu erinnern wo ich sie schon mal gesehen hatte.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt