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Die letzte Tür rechts stand einen Spalt weit offen. Dämmriges Kerzenlicht durchdrang die wässrige Dunkelheit im Flur. Mit angehaltenem Atem schritt ich los. Kein Laut drang aus irgendeinem Winkel des Hauses. Wie in Zeitlupe öffnete ich dir Schlafzimmertür.

Das leere Bett mit den zerwühlten, weißen Lacken und der Geruch von Lavendel ließen eine schaurige Melancholie im Raum herrschen. Die weißen Vorhänge aus Seide wiegten sich gespenstisch in der Winternachtsbrise die durch das geöffnete Fenster strömte. Das Flackern der Kerze am Nachttisch verschwamm vor meinen Augen.

Eine Leere füllte meine Brust. Nichts auf dieser Welt schien mir in diesem Moment mehr zu bedeuten, als Marie zu finden. Die getrockneten Blutflecke auf dem schweren Teppich neben ihrem Bett fielen mir erst jetzt ins Auge. Schreckliche Gedanken schlichen sich in meinen Kopf. Ich ballte meine Hände wütend zu Fäusten. Jaronas hatte Marie, feige wie er war, in ihrem eigenen Schlafzimmer bei Nacht und Nebel überraschst.

Meine Angst mischte sich mit der kochenden Wut. Der Geschmack von Blut benetzte meine Zunge. Es schmeckte nicht menschlich, sondern nach Bittermandel. Das Blut eines Vampirs.

Die ahnungslosen Schneeflocken rieselten auf die Blutflecken im Schnee der die Straße säumte. Mit versteinerter Miene überquerte ich die Rue d'Alcen. Die Fußspuren von Marie und Jaronas versank allmählich in dem endlosen Weiß. Meine Suche endete schließlich in einer Seitenstraße, oder viel mehr, eine entlegenen Gasse. Ein verrostetes Schild neben einer, ebenso von der Witterung beeinflussten Tür aus morschem Holz, wies darauf hin, dass hier ein Zugang zu den nördlichen Katakomben lag. Das perfekte Versteck für ein unsterbrliches Monster wie Jaronas.

Die gläserne UnsterblichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt