Part 1

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RIKU

Mit zitternden Knien steige ich aus meinem Auto aus und verfluche mich im selben Moment dafür, dass ich nur leichte Turnschuhe anhabe. Der Schnee knirscht unter meinen Füßen und saugt sich gleich in den dünnen Stoff, denn es ist mitten im Dezember hier in Helsinki. Die ganze Stadt ist bereits festlich geschmückt und überall leuchten die Lichter. Alle warten irgendwie auf Weihnachten. Das sieht einfach wunderschön aus, ich habe es schon immer geliebt. Dennoch hat mich mein Weg nicht als erstes in die Innenstadt geführt oder gar zu meinem alten Haus, in dem ich die letzten 2 Jahre nicht mehr war, sondern hierher zu diesem großen unscheinbaren Gebäude. Eine Halle,mitten im Industriegebiet, oder auch unser „Shithole", wie der Blonde es damals bei unserer Akustiktour 2010 nannte. Ich musste schmunzeln, als ich darandachte, doch bevor ich mich zu sehr in meinen Gedanken verlieren konnte, kramte ich umständlich den Schlüsselbund aus meiner dicken Winterjacke, setzte mir meine Mütze auf und schlug, vielleicht etwas zu doll vor lauter Nervosität, die Autotür zu. Mit unsicheren Schritten ging ich auf die Tür zu und stand mitklopfendem Herzen schließlich davor. „Komm schon Rajamaa", feuerte ich mich selbst an. „Mach schon, der Schlüssel wird eh nicht mehr passen, wahrscheinlich ist der alte Schuppen sowieso längst verkauft an den nächsten Besitzer." Bei diesem Gedanken zog sich mein Herz zusammen und ich fühlte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Ich könnte es nicht ertragen, wenn all das, was wir jahrelang mit Leben und unserer Musik gefüllt hatten, einfach an einen X-beliebigen Firmenbesitzer verkauft worden wäre. All die Erinnerungen, die inzwischen diesen Wellblechwänden versteckt waren. Ich atmete einmal tief durch und wagte es, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Er rutschte ohne großen Widerstand in die Öffnung. Einen Atemzug und gleichzeitig gefühlte 100 Herzschläge später wagte ich den Versuch, den Schlüssel im Schloss herum zu drehen und zu meinem großen Erstaunen machte es „Klick" und die Tür ließ sich öffnen. Zaghaft stieß ich sie auf und stand, ohne dass ich es selbst kaum merkte, auf einmal mittendrin. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, doch dann erkannte ich die ersten Umrisse und bekam feuchte Hände. Es sah alles noch genauso aus, wie an dem Tag, an dem wir diesen Raum vor 2 Jahren verlassen und scheinbar für immer verschlossen hatten. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt