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Sami und Osmo sind schon dabei, die Raketen und die Böller auszupacken. Eve und Suzannah bereiten schon ein Tablett mit Sekt und Saft zum Anstoßen vor. Samu kommt zu mir und zieht mich in seine Arme. „Missä olet ollut niin kauan? Kaikki hyvin, Rick?" (Übersetzung: wo warst du denn so lang? Alles ok?) Ich bemühe mich, ihm nicht direkt in die Augen zu schauen, damit er nicht sieht, dass ich geweint habe. „Joo, kaikki hyvin", lüge ich ihn an und habe gleich ein schlechtes Gewissen. Raul guckt auf die Uhr. Eve verteilt eilig an jeden ein Glas. „Hey Leute es ist so weit, der Countdown beginnt", ruft er. Wir zählen alle rückwärts. „Kymmenen, yhdeks, kahdeks, seitsemän, kuus, viis, nel, kolm, kaks, yks...onnellista uutta vuotta kaikille", rufen wir alle im Chor und heben unsere Gläser.

Draußen hören wir schon, wie die ersten Raketen in die Luft zischen und kurz darauf knallen. Innerhalb kurzer Zeit ist der ganze Himmel hell erleuchtet. Auch Raul und Osmo stellen ein paar leere Flaschen auf und benutzen sie dann als Startrampe zum Abschuss der Raketen. Wie die Kinderfreuen sie sich und Fanni und Kaisa stehen da und gucken mit leuchtenden Augen in den Himmel. Ich kann beobachten, wie Samu kurz einen nachdenklichen Blick zu den beiden Mädchen wirft und kann mir schon vorstellen, was ihm in diesem Moment durch den Kopf geht. Er wird mit mir niemals eigene Kinder haben können und dabei zusehen können, wie sie aufwachsen, groß werden und eine eigene Familie gründen. Keine Enkel, die um uns herumtollen und toben. Das gilt für mich natürlich auch, aber ich war nie so vernarrt in Kinder wie Samu. Klar, ich mag sie, und vor allen Dingen auch Fanni und Kaisa. Die beiden sind echtzuckersüß, aber die Vorstellung, eigene Kinder zu haben, hat für mich nie so zudem ultimativen Lebensplan gehört wie für Samu. Das erste Mal in unserer gemeinsamen Zeit habe ich Zweifel, ob ich ihm nicht etwas nehme, wenn ich bei ihm bleibe, auch wenn ich ihn noch so sehr liebe. Vielleicht ist er doch mehrhetero als schwul und für diese Seite in ihm ist nicht ausreichend Platz, auch wenn er das selbst im Moment von sich denkt. Aber ich habe nicht länger Zeit, darüber nachzudenken, denn schon kommt Samu und nimmt mich in den Arm. „Hyvää uutta vuotta, kultaseni", raunt er mir ins Ohr und gibt mir einen zärtlichen Kuss. „Ich freu mich so auf das gemeinsame Jahr mit dir, enkeli. Endlich habe ich das Gefühl, das alles gut wird. Du bist das Beste, was mir passieren konnte." Mir wird heiß und kalt bei seinen Worten. „Lass uns darauf anstoßen", sage ich schnell, um nichts weiter sagen zu müssen. Ich trinke mein Glas auf Ex leer. Ich könnte mich jetzt wirklich gut hoffnungslos betrinken. Grund genug dafür hätte ich ja. „Nachschub?", Samu guckt mich fragend an. „Lieber Bier", entgegne ich ihm und schon verschwindet er in Richtung Küche und Kühlschrank. Sami kommt und legt mir den Arm und die Schultern. „Ach Rikulein, ihr schwei scheid wirklisch ein schööönes Pärschen.." lallt er. Huch, er ist ja schon ganz schönangetrunken. Wann hat er das denn geschafft? Ich lächle bittersüß. „Ich weiß, Sami und wir sind froh, dass ihr uns so akzeptiert und keine Vorurteile habt." „Ach weischt du, jedem dasssss seiiine, leben und leben lasschen." Fröhlich zieht er von dannen und Samu kommt mit meinem Bier zurück. Er schaut mich mit einem prüfenden Blick an und sofort beginnt mein Herz zu rasen. Hoffentlich merkt er nichts. „Sag mal Riku, hast du geweint? Deine Augen sind so rot." Mist, ich kann ihm nichts vormachen. Was sage ich jetzt bloß. „Alles ok, Babe,ich werde bloß langsam müde. Mach dir keinen Kopf. Ehrlich." Samu seufzt, merkt aber, dass er nichts weiter aus mir herausbekommt. Wir feiern noch eine gute Stunde, dann ist bei allen irgendwie die Luft raus und so langsam rufen sich alle ein Taxi, das sie nach Hause bringt. Vor allen Dingen Eve will ihren Sohn gar nicht mehr loslassen. „Ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht, mein Großer", seufzt sie leicht angetrunken. Süß, sie hat echt einen kleinen Schwips. „Und was machen wir beiden jetzt noch, Rick?", raunt Samu mir verführerisch ins Ohr? Aber mir ist nicht nach Liebe machen. Zu viele Gedankenschwirren mir durch den Kopf, außerdem habe ich zuviel getrunken und wäre wohl eh nicht mehr so fit. „Sei mir nicht böse Babe", versuche ich so versöhnlich wie möglich zu sagen, „ich bin echt fertig. Morgen ist auch noch ein Tag, ok?" Samu schmollt, ist mir aber nicht wirklich böse. „Na gut, dann gehen wir eben ins Bett." Er muss herzhaft gähnen, woraufhin ich ein bisschen lachen muss. „Siehst du, du würdest eh keinen mehr hochkriegen." „Hei", bufft er mir in die Seite. „Ich kann IMMER", behauptet er bockig. „Na klar, ab mit dir." Ich gebe ihm einen Klaps auf den Po und zusammen verschwinden wir nach oben ins Bett, wo ich auch kurze Zeit später tief und fest schlafe.

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt