Teil 21

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RIKU

„Schon ok, Samu", höre ich mich sagen, dabei ist nichts ok, aber ich kann ihm meine Gefühle nicht offenbaren und sein Leben noch schwerer machen, als es momentan sowieso schon ist. Die ganze Sache mit Etel, mit Sunrise Avenue, er hat alles verloren und dann komm ich daher und mache es noch schlimmer. Was, wenn er mich dann verlässt, dann hab ich ihn auch noch als Freund verloren und das will ich nicht. Ich kann nicht ohne ihn. Das habe ich ja in den letzten 2 Jahren bemerkt. Samu nimmt sich sein Glas Wein und setzt sich ganz nah neben mich. Zu nah für meine Begriffe. Ich werde richtig nervös. „Es ist so schön, dass du wieder da bist, Rick, alles andere ist erstmal unwichtig", sagt er und legt jetzt auch noch seinen Kopf auf meine Schulter. Herrgott nochmal, warum macht er das? Ich werde wahnsinnig, halte aber still und ertrage es stillschweigend.

Ich spüre, wie die Müdigkeit allmählich von mir Besitz ergreift. Die ganze Einkauferei, Sauna, der Wein und das viele Nachdenken haben mich fix und fertig gemacht. „Ich glaub, ich muss ins Bett", sage ich gähnend. Mir fallen tatsächlich schon die Augen zu. „Was ist mit dir Hapa? Kannst im Gästezimmer pennen, wenn du magst", biete ich Samu an und der nickt. „Ok, schlaf gut." Ich stehe auf, stelle mein Glas ab und mache soweit schon mal in der Küche Licht usw. aus. Samu wird sich dann wohl schon um den Rest kümmern. Er kennt sich hier ja aus und ist hier fast zuhause.

Oben angekommen ziehe ich mir den Bademantel aus und hole mir ein frisches T-Shirt und ein Boxer aus dem Kleiderschrank und bemerke nicht, dass Samu im Türrahmen steht. „Rick?", sagt er mit seiner dunklen Stimme und ich schrecke furchtbar zusammen. Ein Kribbeln überzieht meine komplette Haut bei seiner Tonlage. „Herrgott nochmal Samu, erschreck mich doch nicht so. Was ist denn?", fahre ich ihn ungewollt ziemlich böse an. „Sorry", nuschelt er ganz geknickt und ich ziehe mir hastig die Sachen über, weil ich mich auf einmal nicht nur körperlich, sondern auch seelisch so ziemlich nackt fühle. „Ich...ich..wollte nur fragen, ob du vielleicht auch nen frisches T-Shirt und ne Boxer zum Pennen für mich hast", stammelt er unsicher vor sich hin und ich sehe, wie er peinlich berührt rot anläuft. Dabei müsste die Situation eigentlich für uns beide überhaupt nicht peinlich sein. Schließlich haben wir schon unzählige Male irgendwo nach einem Konzert in einer Gemeinschaftsdusche nebeneinander geduscht und zusammen sauniert. Wir kennen uns also genau, trotzdem hat mich gerade irgendwie auf dem falschen Fuß erwischt, aber es tut mir leid, dass ich ihn so hart angegangen bin. Mein Nervenkostüm ist gerade nicht das Stabilste. Hektisch rupfe ich ein T-Shirt und eine Boxer aus dem Schrank und halte sie ihm mit zitternden Händen hin. „Geht es dir gut Rick?" erkundigt er sich fürsorglich und glaube, bald den Verstand zu verlieren. „Alles ok, bin ziemlich müde, sorry, wollte dich nicht so anfahren." „Schon gut, Riku, ich geh jetzt. Danke für die Sachen. Gute Nacht", verabschiedet er sich und geht in Richtung Treppe nach unten. Mir tut es total leid, er kann ja nichts dafür, dass ich Gefühle für ihn hab. Mir bleiben nur 2 Optionen. Entweder ich erkläre mich ihm und sage ihm, was ich fühle oder ich muss mich besser im Griff haben. So geht es jedenfalls nicht. Ziemlich frustriert gehe ich ins Bett und obwohl ich sehr müde bin, drehe ich mich unruhig von einer auf die andere Seite und bekomme kein Auge zu. Zu viele Gedanken schwirren mir durch den Kopf und wollen mir den Schlaf rauben, den ich so dringend brauche.

Zwei Stunden später schlafe ich endlich erschöpft ein, aber die Nacht wird ziemlich kurz, denn Albträume plagen mich. Ich träume vom letzten Konzert am 15.08.2020 in Helsinki, wie wir uns alle weinend in den Armen liegen und auch die Fans weinen jede Menge Tränen. Ich werde diese traurigen Augen in den ersten Reihen niemals vergessen. Es hat mir im Herzen weh getan und das tut es heute noch. Samu und ich haben uns total die Kante gegeben und schon damals hat Etel herum gemeckert, weil wir so besoffen waren. Sie hat einfach nicht verstanden, wieso das so schwer für uns ist und im Nachhinein, wo ich alles weiß, wird mir auch klar, wieso sie so kaltherzig reagiert hat. Aber damals wollte Samu das noch nicht sehen. Er war so verliebt und hatte nur rosarote Wolken vor Augen. Schweißgebadet und schwer atmend wache ich auf und sitze senkrecht im Bett.

Erschöpft lasse ich mich wieder in die Kissen sinken,aber schlafen kann ich nicht mehr. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es erst 6 Uhr morgens ist. Ich quäle mich aus dem Bett, ziehe mir einen warmen Hoodie über, denn es ist ziemlich frisch und gehe runter in die Küche. Als ich das Licht anmache, sehe ich einen kleinen Zettel auf dem Tisch liegen. Schon von weitem erkenne ich, dass es Samu's Handschrift ist. Mit zitternden Händen hebe ich ihn hoch und lese. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt