Teil 25

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SAMU

Mir ist furchtbar warm. Geschniegelt und gebügelt im Anzug sitzen wir vor dem Raclettegrill, der eine ziemliche Hitze ausstrahlt.Ich würde mir am liebsten alle Klamotten vom Leib reißen und nach draußen in den Schnee rennen, aber das geht natürlich nicht. Etel und ihre Mutter plappern angeregt über dies und das und Etel's Vater fragt mich mal wieder einzig und allein darüber aus, wie das letzte Jahr finanziell gelaufen ist, ob mein Unternehmen Gewinne abgeworfen hat und was ich für die Zukunft plane, um den Umsatz und das Wachstum weiter zu steigern. Es ist immer dasselbe. Niemand interessiert sich dafür, wie es mir selbst eigentlich geht und wie ich mich fühle, welche Träume und Ziele ich habe und dass ich die Musik sehr vermisse,kann ich sowieso nicht sagen. Also gebe ich ihm Auskunft über das, was er wissen will und setze dabei ein künstliches Lächeln auf. „Das letzte Jahr war wirklich sehr erfolgreich, nicht wahr, Schatz?" sagt Etel mit zuckersüßer Stimme und lächelt mich falsch an. Ich weiß, dass ich ihr nie wirklich gut genug bin, sie meckert trotzdem immer noch an allem rum. Alles könnte noch größer, besser und schöner sein, dabei führt sie ein Leben auf meine Kosten,von denen andere wahrscheinlich nur träumen können. Wie selbstverständlich geht sie mit meiner Kreditkarte einkaufen. Ich habe schon lange aufgehört, Fragen zustellen, was sie mit dem Geld macht, was sie ja auch noch selbst verdient. Ich nicke also brav. „Lasst uns darauf anstoßen", sagt Etel's Mum und wir heben die Champagnergläser. Mir ist überhaupt nicht nach Feiern zumute, aber ich werde diesen Abend irgendwie durchstehen, wie vieles andere auch. „Sag mal, stimmtes, dass dieser, dieser Riku ...wie heißt er gleich noch..Rajamaa wieder zurück ist?" fragt Etel's Mutter plötzlich in die Runde und ich zucke innerlich zusammen. Ein blick zu Etel verrät mir, dass die Stimmung gleich komplett kippen wird. Mit zittrigen Händen stelle ich mein Glas auf den Tisch, damit es nicht herunterfällt. „Dieser ...dieser ...Möchtegerngitarrist", zischt sie mit zusammengepressten Lippen. „Er war sogar hier, scheinbar sind er und Samu jetzt wieder „beste"Freunde." Bei „beste" malt sie mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft. „Ich hoffe, er verschwindet wieder nach Timbuktu oder wo auch immer er die letzten 2 Jahre gewesen ist", sagt sie und funkelt mich dabei mit ihren Augen böse an. In mir brodelt es, alle aufgestauten Emotionen der letzten Wochen brauen sich gerade in mir zusammen und drohen, aus mir herauszubrechen. Ich springe auf.„Du hast ja keine Ahnung, Etel", fauche ich laut zurück. „Riku ist der beste Freund und begnadetste Gitarrist, den man sich nur wünschen kann und ich habe unsere Freundschaft mit Füßen getreten. Alles Deinetwegen! Aber von echter Freundschaft hast du ja keine Ahnung mit deinen Schickimicki Tanzkolleginnen."„Was sagst du da?" schreit sie jetzt? „Wie redest du überhaupt mit mir? Ich glaub, ich spinne, du weißt, was auf dem Spiel steht", droht sie mir und steht jetzt schnaubend vor mir. „Verdammt nochmal", brülle ich jetzt und erschrecke fast ein wenig vor mir selbst, denn das tue ich eigentlich nie. „Lass mich doch einfach in Ruhe und hör auf, mir zu drohen, du Miststück, ich lasse mich von dir nicht weiter kaputt machen. Ich kann nicht mehr, Etel hörst du? Es ist aus,Schluss, vorbei." Ich reiße mir das Sakko vom Leib, ebenso die Krawatte und feuere alles wutentbrannt auf den Boden. Etel's Eltern sitzen da und bekommenden Mund überhaupt nicht mehr zu. Ich schnappe mir meine Schlüssel und meine Jacke und reiße die Haustür auf. „Wenn du jetzt gehst, wirst du das bitter bereuen, Samu Aleksi Haber", schreit sie mir noch hinterher, aber davon lasse ich mich nicht beeindrucken. Ich setze mich hinters Steuer von Bemu und fahre mit quietschenden Reifen vom Hof. Endlich frei. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt