Teil 35

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20 Minuten später sitzen wir im Auto. Riku fährt und ich rutsche vor lauter Nervosität auf dem Beifahrersitz hin und her. Riku legt mir beruhigend die Hand auf mein Bein. „Ich bin da, Samu. Hab keine Angst. Was soll er schon machen? Wenn er ausrastet, lass ihn toben. Du kennst ihn doch, nach einer Weile beruhigt er sich wieder und dann kann man mit ihm reden." Ich hole tief Luft und nicke, weil ich weiß, dass er Recht hat. Gegen meine Angst vor Mikko's Reaktion kann ich trotzdem nichts machen. Wird er mir immer noch wegen Etel helfen, wenn er alles weiß? Ich bin mir nicht so sicher, egal, wie tief unsere Freundschaft einmal war. Es gibt Dinge, die man nicht verzeihen kann und ich weiß nicht, ob er mir DAS verzeihen wird. Als ich das kleine weiße Gebäude sehe, schlägt mein Herz wie wild und mein Puls beschleunigt sich so, dass ich sicher bin, er ist nicht mehr messbar. Riku parkt den Wagen neben Mikko's, der also schon da zu sein scheint. Innen brennt Licht. Wir betreten das kleine Gebäude und als sich die Tür öffnet ist es, als ob alle Erinnerungen, die ich hiermit verbinde auf einmal wiederkommen. Allein der Geruch, der hier immer noch genau wie früher in der Luft hängt, alles sieht noch genauso aus, diese alten Teppiche liegen noch da. Die Gitarrenständer stehen noch im Aufnahmeraum. Der einzige Unterschied ist, dass alles etwas eingestaubt zu sein scheint. Die Bildschirme sind schwarz und wo sonst früher viele kleine Lampen in rot und grün leuchteten, ist alles dunkel und schwarz. Ein bisschen wie ausgestorben. Genauso hat es in den letzten Monaten in meinem Herzen oft ausgesehen, denke ich und sehe, dass von hinten aus Mikko's Büro ein Lichtstrahl herausscheint. Riku schiebt mich vorwärts. „Du schaffst das, Samu", flüstert er mir liebevoll aber leise ins Ohr und haucht mir einen Kuss auf die Wange, bevor wir den kleinen Raum betreten, wo Mikko wie früher auch, hinter seinem Schreibtisch sitzt. „Moi", sage ich mit zittriger Stimme. Eine kleine Ewigkeit schweigt Mikko und mustert mich von oben bis unten. Ich sehe ihm an, wie enttäuscht und sauer er immer noch ist, auch nach all der Zeit. „Moi Samu", presst er gequält er heraus und macht eine Handbewegung, dass wir uns hinsetzen sollen. Riku und ich nehmen auf den beiden Stühlen, die vor dem Tisch stehen Platz. Mikko lehnt sich zurück. „Also, dann schieß mal los. Riku hat gesagt, dass du Hilfe brauchst, weil du dich von Etel trennen willst." „Ich hab mich schon getrennt", werfe ich schnell ein. „Oh, ok, also weil du dich getrennt hast", korrigiert er. „Was glaubst du, Samu, kann ich denn überhaupt für dich tun und die weitaus wichtigere Frage ist.....WARUM sollte ich dir helfen?" Sein Tonfall ist ziemlich scharf und mir rutscht das Herz in die Hose. Ich hab ja noch nicht mal angefangen zu reden. Ich bin so klein mit Hut und rutsche so tief es meine Körpergröße zulässt in den Stuhl.

„Ich erkläre dir alles Mikko, wenn du versprichst, mir zuzuhören, von Anfang bis Ende und mich nicht zu unterbrechen." „Ok", sagt er kurz und nickt. Ich atme einmal tief ein und schaue zu Riku, der mir aufmunternd zulächelt. Das motiviert mich und ich fange an zu reden. Vom Tag unserer Hochzeit, über die Monate danach, ihren Vorwürfen, den wahren Grund für die Trennung der Band, meinen Gedanken, bis hin zu Heiligabend, dem Streit mit Etel und meiner Flucht zu Riku. Den Teil mit ihm und mir lasse ich natürlich aus, aber sonst sage ich alles. Und auch wenn ich Angst habe, was gleichpassieren wird, so fühlt es sich total befreiend an, dass er jetzt alles weiß und ich mir alles von der Seele geredet habe. Mikko spielt nervös mit den Fingern,fährt sich durch die Haare und je länger ich erzähle, desto mehr sehe ich, dass er rot anläuft und nach Luft schnappt. Als ich fertig bin, ist es totenstill im Büro des Managers. Keiner sagt ein Wort und man könnte eine Stecknadel fallen hören. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt