Teil 14

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Mit zittrigen Fingern greife ich nach dem Bundsteg der Gitarre, nehme sie aus demStänder und setze mich damit auf das kleine Sofa, das dort in meinem kleinen Home Studio steht. Ich zupfe leise und sanft an den Saiten und natürlich ist mein Baby, wie ich sie immer genannt habe, sehr verstimmt. Ich suche das Stimmgerät und finde es schließlich nach kurzer Zeit. Ich klemme es oben an den Gitarrenhals uns fange an, jede einzelne Saite wieder in die passende Tonlage zu bringen. E A D G B E....von oben nach unten. Ich muss an Riku denken. Er könnte das hier in einem Bruchteil der Zeit und zwar ohne Stimmgerät. Er hat einfach das absolute Gehör. Nie zuvor habe ich einen Menschen solch einem Gefühl für die Musik und vor allen Dingen für die Gitarre kennen gelernt. Es war damals einfach ein Glücksfall, dass wir ihn für Sunrise Ave gewinnen konnten. Von Anfang an hat er unsere Musik besser gemacht und jedem meiner Songs etwas ganz Besonderes gegeben. Er hat mir so gefehlt, ich habe eigentlich jeden Tag an ihn gedacht und mir immer vorgestellt, was er so macht und wo er wohl ist, aber gewusst habe ich es natürlich nicht. Das hat mich fast wahnsinnig gemacht. Und darüber hinaus wurde es mit Etel immer schlimmer. Wir können überhaupt nicht mehr miteinander reden, ohne, dass wir anfangen zustreiten. Wir finden einfach keinen gemeinsamen Nenner mehr. Sie legt jedes meiner Worte auf die Goldwaage. Immer, wenn ich es auch nur wage, den Namen von Mikko, Sami, Raul, Osmo oder Riku zu erwähnen, rastet sie jedes Mal aus und wirft mir vor, ich würde ja doch nur der Band und der Zeit mit Sunrise Avenue hinterher trauern und sie überhaupt nicht lieben. Sie würde mich verlassen, wenn ich so weitermache und mit der Zeit habe ich halt gelernt, meine Gefühle und Gedanken für mich zu behalten um des lieben Friedens willen. Ich kann mich nicht einfach von ihr scheiden lassen. Wir haben keinen Ehevertrag gemacht und ich müsste ihr ein Vermögen zahlen, wenn wir uns trennen. Das weiß sie auch und genau das spielt sie schamlos gegen mich aus. Sie hat mich sozusagen in der Hand und ich bin mit der Zeit einfach zu schwach geworden, mich dagegen zuwehren. Also habe ich mich in mein Schicksal ergeben. Als Rick hier gestern aufgetaucht ist, schien er mir wie der Retter in der Not. Wie ein Rettungsanker, an den ich mich klammern konnte und das erste Mal seit sehr langer Zeit bin ich wieder aufgetaucht aus der Tiefe und habe frei atmen können. Für einen kurzen Moment habe ich ihn wieder gehabt und jetzt habe ich ihn gleich wieder verloren. Ich weiß, dass ich ihm die Wahrheit schuldig war,ich hätte es ihm nicht lange verschweigen können. So sehr hoffe ich, dass er mir verzeiht und wir nochmal über alles sprechen können. All meine Gedanken und Gefühle packe ich in einen Song und schreibe und spiele und merke überhaupt nicht, wie es immer später und später wird. Allmählich fallen mir die Augen zu und ich lege die Gitarre beiseite. Ich rappele mich hoch, lege meine Notizen in eine Mappe, die ich in dem kleinen Regal verstecke, welches hier steht, damit Etel sie nicht findet. Dann mache ich mich bettfertig und schleiche mich ins Bett. Ich höre ihr leises Atmen und bin erleichtert, dass sie schon schläft.Das erste Mal seit langer, langer Zeit, schaffe ich es, mal wieder ohne Schlaftabletten einzuschlafen. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt