Teil 37

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SAMU

Ich fühle mich, als hätte ich einen Marathon gelaufen. Völlig fertig gehe ich mit Riku zurück zum Auto und lasse mich in den Sitz plumpsen. Ich weiß nicht, was ich von dem gerade statt gefundenen Gespräch halten soll. Ist das nun gut oder schlecht gelaufen? Riku setzt sich auf den Beifahrersitz und legt mir liebevoll seine Hand auf mein Bein. „Hey Babe, alles gut?", erkundigt er sich vorsichtig. Ich hole einmal tief Luft und zwinge mich ihm zuliebe zu einem kleinen Lächeln. „Ich glaub, ich bin ok", sage ich. „Es war doch klar, dass er erstmal ausrastet, aber er wird uns helfen, hörst du? Du bist nicht allein mit der ganzen Sache. Wir schaffen es, Samu, zusammen. Alle stehen hinter dir. Das alles ist jetzt vorbei und du kannst wieder nach vorn schauen." Riku ist so ein Optimist und ich wünschte manchmal, ich könnte auch so viel Optimismus und Zuversicht in mir tragen. „Riku? Ich habe einen Wunsch." „Alles Samu, sag einfach, was dir auf dem Herzen liegt." „Können wir zu Eve fahren? Ich vermisse meine Mum. Ich möchte so gern mit ihr reden. Ich weiß, sie macht sich Sorgen um mich." Riku lächelt. „Natürlich", sagt er sanft mit dunkler Stimme und startet sofort den Motor. „Ich wette, sie wird überglücklich sein, dich endlich wieder in die Arme schließen zu können."

Wir fahren durch die weiß verschneite Landschaft ein Stückchen aus der Stadt heraus. Je näher wir dem Haus meiner Mum kommen, desto nervöser werde ich. Ich habe sie und auch meine Geschwister wirklich sehr lange Zeit nicht gesehen und ich weiß, dass sie enttäuscht von mir sind, dass ich es zugelassen habe, dass Etel einen Keil zwischen meine Familie und mich treibt. Ich weiß nicht, wie ich ihnen das alles erklären soll. „Du schaffst das schon, am besten, du sagst ihnen auch einfach die Wahrheit", bricht Riku die Stille, als wenn er Gedanken lesen könnte. Als wenn das so einfach wäre. Ich habe Angst, dass sie alle böse auf mich sind. Wahrscheinlich werden sie einfach nur den Kopf schütteln über so viel Dummheit und Naivität eines einzelnen erwachsenen Mannes.

Eine halbe Stunde später erreichen wir das Haus, indem ich aufgewachsen bin. Alles sieht aus wie immer, Mum hat draußen vor der Haustür einen kleinen Weihnachtsbaum aufgestellt, der schön leuchtet. Das hat sie immer schon gemacht, seit wir klein waren. Mit zitternden Knien gehe ich die drei Stufen hoch zur Haustür und stehe entmutigt davor. Ich traue mich kaum den Klingelknopf zu drücken, aber das muss ich auch gar nicht, denn Riku übernimmt das für mich ehe ich überhaupt was tun kann. Es dauert nicht lang und ich sehe durch das kleine Milchglasfenster in der Haustür, wie das Licht im Flur angeht und ich höre, wie Mum zur Haustür kommt. Schon geht die Haustür auf und vor mir steht eine ziemlich überraschte Mum. Ein paar Sekunden lang schauen wir uns einfach nur an, dann liegen wir uns auch schon in den Armen. „Mein Junge", schluchzt sie und drückt mich so fest, dass ich kaum noch Luft bekomme.Sie will mich gar nicht mehr loslassen. Riku steht daneben und wartet geduldig.„Mum", sage ich mit kratziger Stimme, denn auch ich habe einen dicken Kloß im Hals. Als sie mich so drückt, überkommt mich dieses Gefühl von Geborgenheit und Liebe so stark, dass irgendwie alle Gefühle aus mir herausbrechen und ich jetzt richtig schluchzen muss. Tränen laufen mir über die Wangen. Sie löst sich ein Stück von mir und wischt sie mir mit den Daumen liebevoll weg. „Ich hab dich so vermisst", sagt sie mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Dann bemerkt sie,dass auch Riku in der Tür steht und begrüßt ihn herzlich. „Riku, wie schön,dass du auch da bist. Ich dachte, du seist auf Weltreise?!" „Ich hatte Sehnsucht nach Zuhause", sagt er und guckt mich dabei liebevoll an. „Kommt doch bitte erstmal rein, es ist so kalt hier draußen." Sie schließt die Tür hinter uns und wir ziehen uns erstmal Jacken und Schuhe aus. Zusammen betreten wir das Wohnzimmer, in dem wie jedes Jahr zu Weihnachten ein prächtiger Weihnachtsbaum steht. „Setzt euch doch", bittet sie uns. Dann verschwindet sie kurz und kommt 2 Minuten später mit einer Kanne Kaffee und drei Kaffeebechern zurück. Sie setzt sich zu uns und nimmt meine Hände in ihre. „Und jetzt erzähl, Samu. Was ist passiert, dass du mit Riku hier bist und warum habe ich dich so lange nicht gesehen?"

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt