Teil 3

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RIKU
Ich lege die Gitarre beiseite und gehe mit langsamen Schritten auf die Metalltür zu, hinter der sich unser alter Aufenthaltsraum verbirgt. Ich mache mich auf das schlimmste gefasst, wahrscheinlich hat sich in der Zwischenzeit ein Bettler hier eingenistet und nutzt all das hier als Domizil. Mit klopfendem Herzen stehe ich da und sehe, dass durch die Tür untendurch ein kleiner Lichtstrahl scheint. Warum habe ich den nur vorher nicht gesehen, frage ich mich und lege meine zitternde Hand auf die Klinke und drücke sie herunter. Die Tür schwingt auf und zu meinen Füßen auf dem Boden liegt jemand und versucht sich irgendwie mit den Händen an dem alten Sofa hochzuziehen. Dabei gibt er wirklich komische Geräusche von sich. Also scheint meine Vermutung, dass hier seit längerem jemand lebt, gar nicht so verkehrt zu sein. Es riecht furchtbar muffig hier drin und der Geruch von Alkohol und Zigaretten dringt mir unweigerlich in die Nase. „Fuck", jammert der Typ da am Boden und vergräbt die Hand in seinen fettigen Haaren. Er liegt da am Boden und scheint zu weinen. Was soll ich nur tun? Ich muss ihm irgendwie helfen, also schlinge ich die Arme von hinten um seinen Oberkörper, er leistet nicht mal großartig Widerstand. Irgendwie gelingt es mir, ihn auf das Sofa zu ziehen, ihn hinzusetzen. Dann hebt der Typ seinen Kopf und mein Herz bleibt stehen.
Mein Blick fällt in mir nur allzu bekannte und vertraute blaue Augen.  Wie könnte ich sie je vergessen. Zu oft habe ich in den letzten 2 Jahren an sie gedacht, an ihr Strahlen, die kleinen Fältchen, die sich beim Lachen um sie bilden und ihr Strahlen. Doch bei genauerem Hinsehen fällt mir auf, dass sie ihren Glanz und ihr Strahlen verloren haben. „Rick?", lallt Samu mit besoffener Stimme. „Fuck man, ich hab Hallus...isch träuumee....meine Phantasssssss....Phantasie sschhpppiielllt mir Schtreische..." lallt er vor sich hin. „Samu? Holy Shit, was ist mit dir nur passiert?" frage ich ihn, erwarte aber nicht wirklich eine vernünftige Antwort auf meine Frage. Er ist in einem erbarmungswürdigen Zustand. So habe ich ihn in all den langen Jahren, in denen wir uns kennen, noch nie erlebt. Wir haben gefeiert, nächtelang, gesoffen, ja, aber das? Das übersteigt wirklich alles bisher da gewesene. Ich lasse meinen Blick über den Blondschopf streifen und sehe, dass er einen grauen Hoodie, eine schlabberige Jogginghose und ziemlich ramponierte Sneaker trägt. Seine Kleidung ist sogar richtig dreckig und seine Haare sind ziemlich fettig. Wenn ich ehrlich bin, riecht er auch nicht gut. Sein Anblick erschüttert mich geradezu aus tiefstem Herzen und ich möchte fast losweinen, wie er da so vor mir sitzt und nicht mehr Herr seiner Sinne ist. „Was ist mit dir passiert, Samu?" flüstere ich erneut und 2 leere und ausdruckslose Augen starren mich an. „Isch hab allesch falsch gemacht, Rick. Alles falsch", nuschelt er und Tränen bilden sich in seinen Augen. „Du musst erstmal nüchtern werden, aber hier kannst du nicht bleiben. Komm, ich bring dich zu mir." Ich warte seine Antwort erst gar nicht ab, sondern hieve ihn hoch und irgendwie schaffe ich es, ihn zum Auto zu schleifen. Oh man, war der immer schon so schwer? Doch bevor ich auch ins Auto steige, fällt mir noch was ein. „Warte kurz hier, aber kotz mir nicht das Auto voll, hörst du?" Schnell renne ich zurück in die Halle, hole meine alte Gibson und eile zurück zum Auto. Ich muss ihn erstmal von hier wegbringen und wieder klar kriegen, dann sehe ich weiter und erfahre vielleicht endlich, was hier in den letzten 2 Jahren, in denen ich weg war, passiert ist.

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt