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Ich muss irgendwie den Kopf frei kriegen. Also beschließe ich, erstmal eine Runde laufen zu gehen. Ich werfe meine Sachen in die Ecke und ziehe mir zuerst mal Joggingsachen an. Musik in die Ohren und los geht es. Es ist superkalt, aber so werde ich klar im Kopf und auch die Kopfschmerzen verschwinden zum Glück. Muss wohl an der Durchblutung liegen. Ich laufe bestimmt eine halbe Stunde, bis mir die Lungen brennen und komme ziemlich fertig wieder vor meiner Haustür an. Ich will gerade den Schlüssel in mein Haustürschloss stecken, als plötzlich jemand hinter mir steht. Ich drehe mich um und sehe einen großen, ziemlich breiten und finster aussehenden Typen, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Mit einem riesigen Schritt kommt er auf mich zu und drückt mich an die Hauswand. Er stemmt seinen Unterarm an meinen Hals und lässt in der anderen Hand eine Klinge blitzen. „So, mein Freundchen", sagt er mit bedrohlicher Stimme. Er riecht nach Alkohol und Zigaretten. Körperlich ist er mir haushoch überlegen, ich kann mich keinen Millimeter bewegen. „Jetzt hör mir zu, was ich dir sage, ich sage es dir nur einmal." Mit angstvoll weit aufgerissenen Augen blicke ich ihn an. Voller Adrenalin rast mein Herz und leistet Schwerstarbeit in diesem Moment. Was passiert hier nur? „Du wirst mit deinem Samu Schluss machen, erzähl ihm irgendetwas, ist mir egal. Wenn du nicht tust, was ich sage, dann werden er, die Jungs und seine Familie bitter dafür bezahlen müssen. Sanna wäre sicherlich sehr unglücklich, wenn ihren kleinen Mädchen Fanni und Kaisa etwas zustoßen würde, richtig? Auch Samu würde es sicherlich nicht verkraften, wenn seiner Mum, der guten Eve, etwas zustoßen würde." Himmel, woher weiß er all die Namen? Wer ist dieser Kerl und wer hat ihn geschickt? „Und glaub nicht", fährt er fort, „wir bekommen nicht mit, was du treibst. Ich warne dich." Zur Unterstreichung seiner Worte rammt er mir mit voller Wucht seine Faust in den Bauch. Ich bekomme kaum Luft und gehe zu Boden, doch er tritt nochmal nach. Der Typ hockt sich zu mir runter. „Gewöhn dich lieber dran", sagt er noch und verschwindet dann im Dunkeln.

Zusammengekrümmt und mit wahnsinnigen Schmerzen liege ich da auf dem kalten Boden vor meiner Haustüre und weiß gar nicht, was geradeso richtig passiert ist. Ich versuche irgendwie gleichmäßig zu atmen. Nur schwer gelingt es mir, bis dieser Schmerz ein wenig nachlässt. Ich ziehe mich an der seitlichen Brüstung hoch und stütze mich ab. Von dem breitschultrigen Typen ist nichts mehr zu sehen. Er ist so lautlos verschwunden, wie er gekommen ist. Irgendwie gelingt es mir, mit zitternden Händen die Haustür zu öffnen. Wasser, fuck. Ich brauche Wasser. Ich schleppe mich in die Küche, angle mir unbeholfen ein Glas aus dem Schrank und lasse Wasser aus dem Hahn hineinlaufen. Das hilft ein wenig. Dann gehe ich weiter ins Bad. Jeder Schritt schmerzt. Vorsichtig versuche ich, mir die Hoodiejacke und mein T-Shirt auszuziehen. Ichschreie vor Schmerzen, als ich mir das T-Shirt mit beiden Händen gleichzeitig über den Kopf ziehe. Ein Blick in den Spiegel offenbart, was passiert ist. Auf meiner Brust ist ein dickes Hämatom von dem Tritt. Tränen schießen mir in die Augen. „Samuuuu", wimmere ich. Schon kullern Tränen über mein Gesicht, perlen über die Nase und tropfen dann zu Boden und sie wollen nicht aufhören. Ichschleppe mich unter die warme Dusche, wo sich meine salzigen Tränen mit dem warmen Wasser vermischen. „Samuuu", murmele ich immer wieder unter Tränen vor mich hin. Mit jedem Mal wird meine Stimme ein wenig leiser. Ich rutsche an der Duschwand zu Boden und hocke so eine kleine gefühlte Ewigkeit in der Dusche. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt