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SAMU

Als Mikko wegfährt, fühle ich mich sofort wieder einsam. Es tat gut, mit ihm zu reden und dass er mir zugehört hat. Und er hat mich irgendwie darin bestätigt, dass das alles sehr merkwürdig ist, dass Riku so plötzlich Schluss gemacht hat, ohne mir auch nur den Hauch einer Chance für ein klärendes Gespräch zu geben. Das sieht so gar nicht nach ihm aus. Ich vermisse ihn, sehr sogar. Er fehlt mir jede einzelne Sekunde. Seine Nähe, seine Wärme und seine Zärtlichkeiten. Ich weiß nicht, wie ich die nächsten Tage und Wochen überstehen soll. Ich bin mit einem Mal völlig perspektivlos. Je länger ich darüber nachdenke, desto bewusster wird mir, dass ich irgendwie nichts mehr habe. Ich habe keine Ehefrau mehr, was gut ist, ich habe meine Band nicht mehr und meine Liebe hat mich verlassen. Natürlich habe ich noch die Arbeit mit CoMusic, aber da ist auch nicht jeden Tag etwas zu tun. Morgen liegt ein schier endlos langer Tag ohne irgendeinen Termin vor mir. Ausgerechnet jetzt. Immer habe ich irgendetwas im Terminkalender stehen, nur ausgerechnet in den nächsten Wochen wird es relativ ruhig sein und das ist nicht gut für mich. Ich brauche Ablenkung, irgendwas, was mich nicht mehr an ihn denken lässt. Irgendetwas, was diesen Schmerz erträglich macht. Ich weiß nur noch nicht, was.

Mein Handy vibriert. Es ist Osmo. Er hat eine Nachricht in die Sunrise Ave Gruppe geschrieben, die wir nach unserem ersten gemeinsamen Abend hier bei mir ja wieder reaktiviert hatten. „Hey Leute, übermorgen treffen im Studio. 16 Uhr. Bitte seid pünktlich." Ich ziehe die Stirn kraus. Treffen im Studio? Was will er denn? Ich bin etwas verwirrt, aber da ich ja im Moment nichts anderes vorhabe, trage ich den Termin in dem Kalender ein.

RIKU

Ziemlich fertig fahre ich auf die Hofeinfahrt meines Hauses. Die Tränen wollen einfach nicht versiegen. Wie viele Tränen hat ein Mensch? Wie lange kann man weinen ohne auszutrocken, frage ich mich. Als ich in Richtung Haustür schleiche, krame ich mein Handy raus. Es ist Osmo, er hat eine Nachricht in die Gruppe geschrieben. Oh nein, treffen, fuck, ich kann Samu nicht sehen, wie soll ich das bloß überstehen? Ich.....ich kann den nächsten Gedanken nicht mal zu Ende denken, da werde ich schon an meine Hauswand gedrückt. Es ist derselbe Typ wie das letzte Mal. Nur dieses Mal hat er Verstärkung mitgebracht. Er drückt mir mit seinem Unterarm fast die Luft ab. „Ich hoffe, du hast auf uns gehört und dich von deinem kleinen blonden Sänger getrennt?" Ich nicke und stammele.."ja...hab ich..", soweit es mir möglich ist.„Gut so, und wehe, wir sehen euch irgendwo zusammen, dann erfährt er die gleichen Schmerzen wie du jetzt. Ist das klar?" Schmerzen? Jetzt? Was haben die vor? Wollen die mich umbringen? Ich spüre, wie mir der andere Typ, den ich noch nie zuvor gesehen habe, den Pulli hochzieht und er ein Butterfly Messer zückt. Schneller als ich denken kann, durchfährt mich ein brennender Schmerz und ich höre einen gellenden Schrei, der durch die Dunkelheit hallt, bis mir bewusst wird, dass ich es selber bin, der vor Schmerzen schreit. Er hat mir die Klinge einmal quer über den Beckenknochen gezogen. Als ich endlich losgelassen werde, gehe ich zu Boden. Meine Beine wollen mich einfach nicht mehr tragen. Ich spüre einen Tritt und kurz darauf höre ich Knacken...noch ein Schrei...meine Rippe ist gebrochen. „Wir sind fertig", höre ich den einen sagen und dann verschwinden sie so schnell, wie sie gekommen sind. Ich kann gar nicht orten, wo der Schmerz zuerst herkommt. Zitternd taste ich an meinen Beckenknochen und spüre, es ist nass. Alles voller Blut. „Samuuuu", wimmere ich noch. Dann wird mir schwarz vor Augen und ich bin weg. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt