Teil 13

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SAMU

Das war er also. DER Moment vor dem ich die ganzen letzten 2 Jahre Angst hatte. Zitternd sitze ich am Küchentisch und bin fix und fertig. Ich mein, was hatte ich denn erwartet, wenn ich Rick die Wahrheit sage? Dass er mich vor lauter Mitleid in den Arm nehmen würde und mich trösten würde? Nein, eigentlich nicht. Trotzdem war ich wütend. Wütend auf mich selbst und enttäuscht von mir, dass ich es soweit habe kommen lassen. Habe mir von einer Frau den Lebenstraum zerstören lassen und gleich weitere 5 Menschen mit unglücklich gemacht. Wie ein Film laufen die letzten Monate vor dem letzten Konzert in Helsinki im Olympiastadion vor meinen Augen ab. Die Pressekonferenz am 02. Dezember 2019, die Reaktionen in den sozialen Netzwerken, die Spekulationen der Fans, die vielen Radio – und Fernsehinterviews. All das nur ihretwegen. Dabei fiel es mir schon in dem Moment schwer, als ich da im Clarion Hotel stand und unser Ende verkündete. Niemand hat es gesehen, aber mir haben die Knie gezittert vor lauter Angst, weil ich es eigentlich selbst nicht wollte. Und jetzt sitze ich hier und habe den wichtigsten Freund und Menschen in meinem Leben verloren.

Mit wackeligen Knien und der Bierflasche in der Hand stehe ich auf und gehe in das Zimmer, das ich zuletzt am 16.08.2020 betreten habe, seitdem sind die Türen verschlossen. Ich habe mich einfach nicht getraut, hinein zu gehen. Jedes Mal, wenn ich auch nur in der Nähe dieser Tür stand, war Etel auf einmal da und hat mich angemeckert. „Hast du jetzt etwa doch wieder Sehnsucht nach der Musik? Ich dachte, wir hätten das geklärt." Dabei hat sie mich mit einem Blick angesehen, ich kann es einfach nicht beschreiben. Dann habe ich immer mit dem Kopf geschüttelt und bin wieder woanders hingegangen. Fernsehen gucken oder so. Dabei habe ich es so vermisst, mit der Gitarre da zu sitzen, mit einem Blatt Papier vor mir auf dem Boden und meine Ideen festzuhalten. Die einzige Möglichkeit, die mir blieb, um meine Ideen nicht zu verlieren, war, sie in mein Handy zu singen. Der Speicher ist voll mit neuen Textideen und mit Songs, die wahrscheinlich nie den Weg ins Studio finden werden.

Wie oft hatte ich das Telefon in der Hand und wollte Riku anrufen, aber jedes Mal habe in allerletzter Sekunde gekniffen. Ich war einfach zu feige und hatte zu viel Angst ihm und mir auch selbst einzugestehen, dass einfach alles, was ich mir erhofft hatte, wie eine Seifenblase zerplatzt ist und dass ich längst meinen Entschluss bereut hatte. Schon 6 Wochen nach dem letzten Song auf der Bühne, war die Sehnsucht nach meinem alten Leben kaum zu ertragen. Da habe ich angefangen, mich in der Probenhalle zu verkriechen und mich volllaufen zu lassen. Schon lang kann ich nicht mehr richtig schlafen ohne vorher 1-2 Schlaftabletten einzuwerfen. Ich bin kaputt. Ich gehe nicht mehr zum Sport, mir fehlen schon lange die Kraft und die Energie. Und jetzt ist alles noch viel schlimmer. Riku weiß es und ich bin mir sicher, dass er mir das niemals verzeihen kann und Sami, Osmo, Raul und Mikko auch nicht, wenn sie den wahren Grund für meinen Entschluss erfahren.

Endlich schaffe ich es, die Hand auf die Klinke zulegen und sie mit zitternden Fingern herunter zu drücken. Als mein Blick in den Raum fällt, bleibt mir beim Anblick meiner Instrumente fast das Herz stehen und Tränen schießen mir in die Augen. Ich trete in den Raum und schließe leise,damit SIE es nicht hört, die Tür. In der Ecke steht meine Lieblings Gibson Akustik Gitarre. Sanft streichen meine Fingerkuppen über die Saiten und das glatte Holz. Was habe ich nur getan?

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt