67

348 17 2
                                    


Logischerweise ist das Erwachen am kommenden Morgen, oder eher gesagt Mittag nicht so toll. Ich habe einen ziemlichen Schädel. Immer, wenn ich Sekt trinke, bekomme ich einen Brummschädel. Ich hätte es eigentlich besser wissen und darauf verzichten müssen, aber ich wollte halt gern mit den anderen anstoßen. Irgendwie gehört es ja zu Sylvester nunmal dazu. Langsam rappele ich mich hoch und stelle fest, dass die Bettseite neben mir leer ist, was mich wundert. Ist Samu etwa vor mir aufgestanden? Wenn ich den gestrigen Abend in Erinnerung habe, hat er sogar noch mehr getrunken als ich. Ich zieh mir schnell eine Jogginghose über und gehe schlaftrunken und nur mir halb geöffneten Augen runter. Da sitzt Samu schon und hat einen Kaffee in der Hand. Er sieht eigentlich ganz munter und so verdammt gut aus. „Hyvää huomenta ja hyvää uutta vuotta", begrüßt er mich gut gelaunt. „Samoin", nuschele ich, während er mich in seine Arme zieht und kleine Küsse über mein gesamtes Gesicht verteilt. „Wieso bist du eigentlich so fit?", will ich von ihm wissen. „Ei avistustakaan (keine Ahnung)", gesteht er mir. „Ich hab komischerweise keinen Schädel. Mir geht es gut. Nur schnelle Bewegungen sollte ich nicht machen. Was hälst du davon, wenn wir heute einfach auf dem Sofa bleiben und uns einen faulen Tag machen?" Ich überlege einen Moment. Mir steckt das Gespräch von ihm und Sanna immer noch in den Knochen und ich brauche erstmal eine Weile, um mir irgendwie darüber klar zu werden, was das für uns heißen könnte in der Zukunft. Außerdem brauche ich dringend frische Sachen. So fühle ich mich nicht wohl. „Babe, ich fahre gleich erstmal nach Hause, ok? Ich muss mir mal frische Sachen anziehen und brauche einfach mal ein bisschen Ruhe. Bitte sei mir nicht böse." Samu guckt mich entgeistert an. „Sorry...", er kratzt sich verlegen am Hinterkopf. „Wusste nicht, dass ich dir schon auf den Geist geh, dachte nur...naja, wenn du ein bisschen Zeit für dich brauchst, ist das natürlich ok." Ich merke, dass es eigentlich überhaupt nicht ok ist. Samu lässt mich los und verschwindet im Bad. Scheiße, jetzt schmollt er, aber ich bin echt durch den Wind und ich kann einfach nicht in Ruhe darüber nachdenken, wenn wir die ganze Zeit zusammenhängen. Erst dann kann ich mit ihm darüber reden. Ich brauche einfach einen klaren Standpunkt für mich und sortierte Gedanken und die habe ich im Moment einfach noch nicht. Traurig schlurfe ich wieder nach oben, ziehe mir meine Sachen von gestern an und räume dann noch ein bisschen auf. Samu kommt nach einer geschlagenen halben Stunde ziemlich geknickt aus dem Bad. „Rick? Warum willst du weg?" Ich seufze einmal tief und antworte ihm genervter, als ich eigentlich wollte. „Man Samu, ich brauch einfach mal ein paar Stunden für mich, ist das denn zu viel verlangt?" Ich erschrecke mich ein bisschen vor mir selber, weil ich ihn gar nicht so anfahren wollte. Das Ergebnis meines Ausbruchs ist, dass ich in 2 ziemlich verletzte stahlblaue Augen schaue. „Ok", sagt er nur und presst die Lippen zusammen. Ich ziehe meine Jacke an, nehme meine Tasche und drücke ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Nähdäänkö tänä iltana (sehen wir uns heute Abend)?" fragt er mich hoffnungsvoll. „Ehkä (vielleicht)", antworte ich und verschwinde aus der Tür. Draußen ist es eisig kalt und es dämmert schon wieder. Das mag ich am Winter nicht, diese dauernde Dunkelheit. Man sollte meinen, dass man als Finne daran gewöhnt ist, aber ich habe den Sommer lieber, wo es so gut wie gar nicht dunkel wird und man eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit rausgehen kann.

Ein wenig fertig lasse ich mich in den Autositzplumpsen. Ich stelle meine Tasche auf den Beifahrersitz und starte den Motor.Mit vielen wirren Gedanken in meinem Kopf und meinem Herzen fahre ich dann nach Hause. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt