Part 2

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RIKU

Es roch ein bisschen staubig und muffig, aber das wunderte mich nicht. Mit Sicherheit war niemand hier in all den Monaten. Ich ging in Richtung Wand, wo immer die ganzen großen Tourboxen mit den Instrumenten standen und ließ meine Hand darüber gleiten. Sogleich klebte eine dicke Staubschicht an meiner Hand, aber das wunderte mich nicht. Ich wischte sie ab und versuchte, die Riegel zu öffnen, was ein bisschen schwierig war. Sie waren wahrscheinlich etwas eingerostet mit der Zeit. Doch mit ein bisschen Kraft und Willensstärke gelang es mir schließlich. Ich konnte sie zur Seite schieben und hob vorsichtig den Deckel an. Die Scharniere quietschten fürchterlich, fast so wie einem Gruselfilm wie bei einer alten Holztruhe. Je mehr ich den Deckel öffnete, desto lauter schlug mein Herz und als ich ihn schließlich ganz oben hatte und den Inhalt erblickte, blieb es fast stehen. Ich vergaß zu atmen. Meine alte Lieblings-Gibson lag darin, noch genauso, wie ich sie vor 2 Jahren darin verstaut hatte. Ich merkte, wie mir komisch wurde und sog endlich wieder Luft in meine Lungen. „Holy Shit", flüsterte ich leise vor mich hin und streckte meinen Arm nach der Gitarre aus. Fast andächtig holte ich sie aus ihrer Kiste heraus und betrachtete sie liebevoll. Sanft ließ ich meine Finger über die Saiten streichen und stellte fest, dass sie natürlich ordentlich verstimmt war. Ich suchte mir eine Gelegenheit zum Sitzen, was aber gar nicht so einfach war, da ich mich ohne eine dicke Staubschicht am Hintern zu haben, wohl nirgendwo hierher setzen konnte. Ich kramte nochmal in der Box herum und fand schließlich den Gurt zum Umhängen, den ich an der Gitarre befestigte. Ich wusste, ich würde viel Geduld brauchen, um sie stimmen, aber die hatte ich.

Für meine Ruhe und meine Gelassenheit hatten mich alle immer bewundert und auch gern gehabt. Besonders Mikko schätzte, dass ich auch in den stressigsten Situationen immer einen kühlen Kopf behielt und somit die anderen und auch insbesondere Samu runterbringen konnte. Der Blondschopf kochte ziemlich schnell hoch in seiner Emotionalität und verbreitete manchmal eine Hektik, die auch die anderen Bandmitglieder schnell ansteckte. Manchmal war das gut, dass er so viel Energie hatte, aber manchmal eben auch ganz und gar nicht.Ich zog mir meine Jacke aus, hing sie an den alten Garderobenständer, den wir mal hierher gestellt hatten und hing mir die Gitarre um. Ich brauchte kein Stimmgerät, um die Saiten mit den Stellschrauben wieder in die richtige Länge zuziehen. Ich hatte schon immer ein ziemlich gutes Gehör, wahrscheinlich fiel mir das Spielen auch deshalb so leicht. Es war die pure Entspannung für mich und ich versank jedes Mal komplett in meiner eigenen Welt. Eine Viertelstunde später wagte ich einen neuen Versuch und siehe da. Es war die pure Harmonie,die meine Ohren erfüllte. Langsam begann ich, eine Melodie zu zupfen und die ersten Akkorde zu spielen. „Shallow" von Lady Gaga und Bradley Cooper. Ich liebte dieses Lied einfach, schloss die Augen und verlor mich in dieser wunderbaren Melodie. Dieser Moment wurde jedoch jäh von einem lauten „Fuuuuuck"mit anschließendem Poltern unterbrochen. Ich zuckte vor Schreck zusammen und mein Herz bummerte von innen gegen mein Brustbein. War ich etwa doch nicht allein hier? 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt