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RIKU

Ich fühle mich, als wäre ich gerade von einem durchfahrenden ICE überrollt worden. Samu's Worte dringen in mein Ohr und im selben Moment kommen sie mir vor, als wäre das alles nur ein schlechter Traum. Mir wird heiß und kalt, mir wird schlecht, alles dreht sich und ich habe das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. „Entschuldigt mich kurz", schaffe ich noch so gerade zu sagen, bevor ich aus dem Raum stürme und die Toilette aufsuche, die ich zum Glück vorher zufällig beim Warten gesehen hatte. Ich stürme in eine der Kabinen und muss mich schwallartig übergeben. Kalter Schweiß tritt auf meine Stirn und ich kralle mich an der Klobrille fest, bis meine Handknöchel weiß werden. Als mein Magen komplett leer zu sein scheint, wische ich mir den Mund mit Klopapier ab und drücke die Spülung. Tränen laufen über mein Gesicht und ich lasse mich erschöpft auf den Boden sinken. Was ist da drin gerade passiert? Ich versuche zu erfassen, was sich abgespielt hat, Samu's Worte zu begreifen. Er hat mich gerade eiskalt verleugnet. Bei der erstbesten Gelegenheit, bei der es darauf ankam, zu mir zu stehen. Der Mann, der mich am Abend zuvor mit Hingabe geliebt und geküsst hat, der mir gesagt hat, dass er keine Sekunde mehr ohne mich sein will und mit mir zusammenziehen will, hat mich fallen lassen. Und so fühle ich mich auch. Wie nach einem harten Aufschlag auf dem Boden. Unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Er hat es nicht nur verleugnet, sondern unsere Beziehung obendrein auch noch als absolut abwegig und lächerlich dargestellt. LÄCHERLICH!!!! Mein Herz zieht sich schmerzvoll zusammen, als seine Worte in meinem Kopf widerhallen. Ich höre, wie Sami in die Sanitäranlagen reingestolpert kommt. „Rick? Bist du hier irgendwo drinnen?" Meine Antwort ist ein dickes Schluchzen. Ich öffne die Tür und schon hockt Sami neben mir. „Oh Mann, da hat unser Hapa ja ganz schöne Scheiße gebaut", stellt er treffend fest und zieht mich mit seinen starken Armen hoch. Ich lasse mich in sie hineinfallen und weine wie ein kleines Kind. Ich kann überhaupt nicht mehr aufhören und Sami ist fast ein bisschen hilflos, weil er nicht weiß, wie er mich überhaupt trösten kann.

„Hey Großer, wir müssen da wieder rein. So schwer das jetzt auch fällt, aber wenn wir hier noch länger bleiben, wird es auffällig. Wir sagen einfach, dass es dir nicht gutgeht, weil wir gestern Abend einen über den Durst getrunken haben, ok? Ist ja nicht mal richtig gelogen." Ich versuche, langsam ein- und auszuatmen und mich etwas zu beruhigen. „Ok", krächze ich und wanke zum Waschbecken, wo ich mir erstmal kaltes Wasser ins Gesicht klatsche und dann abtrockne. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, wie furchtbar ich aussehe, aber das ist egal. Ich muss das irgendwie durchstehen. Sami nimmt mich nochmal in den Arm und drückt mich. „Los komm. Show must go on." Zusammen gehen wir in den Besprechungsraum zurück, wo der Rest schon, vor allen Dingen Tom und Benjamin, etwas ungeduldig auf uns wartet. Samu guckt mich mit glasigen Augen an. Er ist ganz blass geworden. Scheinbar hat er kapiert, was er da gerade angerichtet hat. Ich entschuldige mich in aller Form, so wie Sami es vorgeschlagen hat und dann gehen die Vertragsverhandlungen los, auf die ich mich aber natürlich in keinster Weise konzentrieren kann. Ich sehe aus den Augenwinkeln, dass Samu immer wieder versucht, mich mit seinen Blicken zu kontaktieren und mir etwas vermitteln zu wollen, aber ich ignoriere ihn so eiskalt, wie er mich zuvor verleugnet hat. Der Schmerz sitzt einfach zu tief. Nach ca. 2 Stunden ist es endlich überstanden und Mikko und Samu haben den neuen Vertrag unterschrieben. Alles ist im Sack und normalerweise würden wir jetzt feiern gehen, aber danach ist mir nicht zumute. Als wir uns verabschiedet haben, stürme ich sofort nach draußen. Samu läuft mir hinterher. „Riku bitte, lass uns reden. Ich hab doch nur...ich wollte doch nur...", er ringt nach Worten, aber ich lasse ihn nicht. „Lass mich in Ruhe Samu. Mir ist gerade so einiges klar geworden." „Babe, bitte...ich..." „Nenn mich nie wieder so, hast du gehört, NIE WIEDER", schreie ich ihn an. Dann wende ich mich an Sami. „Kann ich bei dir mitfahren?" Der guckt ein bisschen bedröppelt, nickt aber dann. „Klar, steig ein." Ich steige schnell in Sami's Auto und knalle die Tür zu, damit Samu nicht mehr an mich rankommt. „Fahr schnell los bitte. Ich will hier einfach nur noch weg", fordere ich ihn auf und er tritt auf's Gaspedal. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt