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SAMU

Und was soll ich dann tun? Ich wüsste ja nicht mal, in welchem Teil der Welt ich zuerst nach ihm suchen sollte. Er könnte überall sein. Ich hetze nach oben in sein Schlafzimmer und muss wie befürchtet feststellen, dass seine Reisetasche nicht da ist. Dann renne ich denselben Weg nochmal runter und weiter in den Keller in sein Studio, wo mich schließlich der letzte Funke Hoffnung, der noch irgendwo tief in mir war, verlässt. Seine Lieblingsgibson ist nicht an ihrem Platz. „Nein", flüstere ich leise und die ersten heißen Tränen bahnen sich unaufhaltsam ihren Weg über meine Wangen. Ich lege die Hände vor mein Gesicht und sinke auf den Boden in die Knie. „Nein", schluchze ich jetzt und bekomme einen richtigen Weinkrampf, an dem ich das Gefühl habe zu ersticken. Es ist alles verloren. Ohne diese Gitarre geht er nirgendwo hin. Er hätte sie nicht mitgenommen, wenn er nicht vorgehabt hätte, für längere Zeit oder sogar für immer zu verschwinden.

Mein ganzer Körper wird von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt. Immer wieder kommen neue Tränen nach, die überhaupt nicht aufhören wollen zu versiegen. Ich bin wie gelähmt. Diese Angst, Riku nie wieder zu sehen, lähmt mich und lässt umklammert mich wie eine Fessel, aus der ich mich nicht befreien kann.

RIKU

Ich sitze im Flieger nach Sydney und habe Musik in den Ohren. Der Blick aus dem Fenster auf die Wolken könnte schöner nicht sein. Die Sonne strahlt, doch im meinem Innersten herrscht die pure Finsternis. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr der Liebeskummer mich von innen heraus aufzufressen scheint. Ich habe die letzte Nacht nicht mehr geschlafen und bin jetzt seit über 24 Stunden wach. Meine Eltern haben ziemlich geweint, als ich ihnen erzählt habe, dass ich wieder weg bin und auch diesmal nicht wüsste, ob und wann ich nach Hause kommen werde. Sie hatten ihren Sohn gerade zurück und jetzt ist er schon wieder weg. Ich habe keine Geschwister, die sich wenigstens um sie kümmern könnten, aber ich habe schon vor 2 Jahren, als ich das erste Mal gegangen bin, dafür gesorgt, dass sie eine sehr liebe Haushaltshilfe haben, die sich wirklich rührend um alles kümmert, auch Einkäufe erledigt, mal eine Mahlzeit kocht usw.

Als wir endlich gelandet sind, nehme ich mir ein Taxi und fahre zu der kleinen Pension, in der ich schon das letzte Mal war. Ich habe mit Bill, so heißt der Besitzer, ein uriger, aber netter alter Kauz, telefoniert und er hat sich gefreut, dass ich zurückkomme. Schon nach 2 Minuten bin ich in meinem neuen Zuhause auf Zeit angekommen, habe eingecheckt und sitze nun mit dem Handy in der Hand auf der Bettkante. Nachdenklich drehe ich es hin und her und beschließe, es erstmal aus zu lassen, wohl wissend, dass es wahrscheinlich in einer Tour durchpiepen und klingeln würde, sobald ich wieder anstellen werde. Ich stecke es erstmal in die obere Schublade des Nachtschränkchens, das neben dem Bett steht und fange an, mich etwas einzurichten. Meine Gitarre liegt noch in ihrem Koffer auf dem Bett. Ich werde heute Abend in die kleine Bar gehen und ein Bier trinken. Wenn ich Glück habe, kann ich dort wieder ab und zu spielen. Nicht, dass es unbedingt sein müsste, aber nur untätig herum zu sitzen, macht mich mit der Zeit wahnsinnig.

Als ich alles ausgepackt habe, merke ich, wie müde ich bin und lege mich ein bisschen hin. Es dauert nicht lange und mir fallen die Augen zu.

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt