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SAMU

Etwas nervös fahre ich nun allein den Weg, den ich vor kurzem schon einmal mit Riku zusammen gefahren bin, bevor er gegangen ist. Ich parke meinen Wagen vor dem großen modernen Gebäude von Universal und atme einmal tief ein, bevor ich den Schlüssel aus dem Zündschloss ziehe und aussteige. Mit zittrigen Beinen gehe ich zum Empfang und melde mich an. Wie letztes Mal muss ich erst ein paar Minuten warten, bevor ich in einen schicken Besprechungsraum geführt werde. Noch ist niemand da. Ich setze mich hin und nehme mir einen von den Keksen, die dort auf dem Teller stehen. Eigentlich mag ich überhaupt keine Kekse, aber ich muss irgendetwas zu tun haben, sonst werde ich noch verrückt. Endlich kommt Tom herein und ich stehe auf, um ihm zur Begrüßung die Hand zu nehmen. „Hallo Samu, ihr Anruf kam ja recht überraschend und klang dringend. Nehmen Sie doch bitte Platz." Er bedeutet mir mit einer freundlichen Geste, mich wieder hinzusetzen. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. „Also Samu, Sie sie haben das Wort. Was kann ich für Sie tun?" Ich fahre mir durch die Haare, um eine Sekunde Zeit zu gewinnen und meinen Mut zu sammeln. „Also, weshalb ich hier bin ist Folgendes. Sie hatten ja schon bei unserem letzten Termin die Vermutung geäußert, dass Riku und ich mehr sind als nur gute Freunde. Ich habe das alles abgestritten. Fakt ist, dass ich aus Gründen des Selbstschutzes und wie ich dachte, zum Schutze der Band und des neuen Plattenvertrages gelogen habe. Riku und ich sind ein Paar. Wir haben es noch nicht öffentlich gemacht. Das hängt auch damit zusammen, dass ich mich erst vor ca. 2 Monaten von Frau Röhr getrennt habe. Dazu kommt noch eine andere Geschichte." Ich erzähle und erzähle alles, was in den letzten Wochen passiert ist. Ich gebe alles, denn ich habe jetzt sowieso nichts mehr zu verlieren. Entweder er schmeißt mich achtkantig raus und lässt den Deal platzen oder ich gewinne alles, wenn ich Glück habe, inklusive Riku. Als ich fertig bin, fühle ich mich total erschöpft, bin aber irgendwie erleichtert und auch unsicher, was jetzt kommt. Ich trinke einen Schluck Wasser aus dem Glas, das vor mir auf dem Tisch steht und blicke erwartungsvoll zu Tom. Der muss sichtlich erst einmalsortieren und rauft sich die Haare. „Puuh, ich bin ehrlich gesagt etwas überfordert gerade. Mit solch einer Geschichte hab ich tatsächlich nicht gerechnet. Ich kann ihnen persönlich sagen, Samu, dass ich kein Problem mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen habe. Ganz gewiss nicht. Und es tut mir aufrichtig leid, was ihnen und Riku widerfahren ist. So etwas wünscht man keinem. Was ich allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen kann ist, wie wir als zuständige Plattenfirma mit der Situation umgehen werden. Ich kann das nicht allein entscheiden, wie wir das jetzt handeln und muss sie dafür um Verständnis bitten. Ich werde mich mit den zuständigen Kollegen zusammensetzen und mich dann in den nächsten Tagen bei ihnen bzw. Mikko melden, wie wir damit nun umgehen können. Ich hoffe da auf ihr Verständnis." Ich nicke und hatte sowas schon befürchtet. Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn ich mit einem Ergebnis hier heute raus gegangen wäre, aber ich kenne das Business und weiß, dass ich heute keine schnelle Entscheidung oder einen Weg, wie es nun weitergeht, erwarten kann. „Danke Tom, dass sie sich die Zeit genommen haben, um mir zuzuhören. Ich hoffe sehr, dass alle gut wird, denn sonst habe ich alles verloren." Bei meinen eigenen Worten steigen mir schon fast die Tränen in die Augen, aber ich schaffe es erfolgreich, sie zu verdrängen und reiche Tom die Hand. „Kopf hoch, Samu, ich lege ein gutes Wort für sie ein, es wäre zu schade, wenn wegen solch einer Sache alles platzen würde. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass Universal sich diesen Deal entgehen lässt, denn wir alle haben uns wirklich sehr gefreut, als wir gehört haben, dass sie weitermachen, aber ich kann ihnen nichts versprechen." Wir verabschieden uns freundlich voneinander und ich fahre mit dem Wissen nach Hause, dass ich heute wohl nicht mehr hätte erwarten können. Wenigstens ist Tom schonmal auf unserer Seite. Aber ich habe keine Ahnung, wie groß sein Einfluss an den entsprechenden Stellen tatsächlich ist. Das nächste, was mir bevorsteht ist, dass ich jetzt Mikko anrufen muss und ich weiß jetzt schon, dass er mir für diesen Alleingang den Kopf abreißen wird. Eigentlich ist es egal, wie Universal sich entscheidet, ich werde es nach diesem Anruf wohl nicht mehr erleben. Ich nehme mir zuhause erstmal ein Glas Wein von dem leckersten Wein, den ich habe und setze mich damit auf mein Sofa. Dann sammle ich ein weiteres Mal an diesem Tag all meinen Mut zusammen und rufe Mikko an.

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt