Teil 11

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Ca. 10 Minuten später steht ein angezogener blonder 1,92 m großer Finne vor mir. Mein Hoodie steht ihm gut, stelle ich fest. Ich muss unwillkürlich lächeln. „Wollen wir los?" fragt er mich leicht bedrückt? „Ja los komm." Ich schnappe mir Schlüssel, Portemonnaie und ziehe mir fix noch meine Jacke über. Draußen ist es ziemlich kalt. Kein Wunder, ist ja mitten im Winter hier in Helsinki. Wir haben immerhin Minus 15 Grad und das geht noch für hiesige Verhältnisse.

Wir steigen in mein Auto ein und fahren so eine Weile schweigend durch die Landschaft. „Danke Rick", bricht Samu die Stille. „Wofür?" „Für alles, kaum bist du hier, rettest du mir mal wieder den Arsch, kümmerst dich um mich und bist für mich da. War schon immer so", murmelt er vor sich hin. „Das wird auch immer so sein, Hapa, ich werde immer für dich da sein. Nur weil ich weg war, hat sich an unserer Freundschaft nichts geändert. (eigentlich doch, denke ich, schweige aber wieder lieber) Du bist immer noch mein bester Freund, ok?" Ich blicke ihn prüfend von der Seite an und er nickt. Oh man, muss das alles schlimm sein, wenn es für ihn so eine Qual ist, nach Hause zu müssen.

Wie schlimm, das soll ich erfahren, als wir bei ihm zuhause angekommen sind. Kaum schließt er die Tür auf, kommt Etel auf ihn zu wie eine Furie. „Samuuu? Wo warst du schon wieder? Was soll der Scheiß?" Als sie mich erblickt, wird ihr Blick noch finsterer, als er ohnehin schon ist. Sie sieht mich an, als wäre ich Dreck unter ihren Nägeln. „Was macht DER denn hier?", fragt sie mit einer Verachtung in der Stimme, die es mir eiskalt den Rücken runterjagen lässt. „Ich dachte, der wäre endlich verschwunden irgendwo auf der Erdkugel. Fängt der ganze Mist jetzt wieder von vorne an?" Und allmählich wird mir so einiges klar. Samu steht da wie ein kleiner Junge und lässt die Schimpftirade über sich ergehen. Dann stapft er zum Kühlschrank und nimmt sich Bier heraus und es ist gerade mal mittags. Sein schlimmer Kater von gestern scheint vergessen zu sein. „Auch eins?" fragt er mich und hält die Bierflasche hoch. Ich schüttele den Kopf. „Nee, lass mal, später vielleicht.Lieber nen Kaffee." „Will der etwa hier noch länger bleiben?", mischt Etel sich jetzt wieder ein. „Jetzt mach mal halblang Schatz, er ist mein Freund, ok?"Endlich wehrt Samu sich mal, denke ich. Etel schnaubt wie eine Dampfwalze und verschwindet wütend nach oben. Samu blickt ihr bekümmert nach und fährt sich verzweifelt durch die Haare. Dann macht er mir einen Kaffee, stellt ihn vor mich auf den Küchentresen und bedeutet mir, Platz zu nehmen. „Was ist ihr Problem?" Doch ich erhalte keine Antwort auf meine Frage. Ich kann nur beobachten, wie er sich krampfhaft mit fast schon weißen Fingerknöcheln an der Bierflasche festkrallt und es innerlich in ihm brodelt. „Samu? Was ist das hier alles?", hake ich nochmal nach und die Verzweiflung springt mir förmlich aus seinen blauen Augen entgegen. „Ich muss dir was sagen, Rick", gesteht er mir mit kratziger Stimme. Ich sage nichts, sondern warte einfach nur ab. Ich weiß,wenn er sowas sagt, dann fällt ihm das unheimlich schwer und man muss ihm die Zeit geben, die er braucht, sonst macht er dicht und spricht kein Wort mehr.Also nippe ich an meinem Kaffee und beobachte, wie es in ihm arbeitet, er nach den richtigen Worten ringt und wie er leidet. Und dabei zerreißt es mir fast das Herz. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt