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SAMU

Glücklich und mit einem liebevollen Kuss verabschiede ich mich von Riku und winke ihm nach, als er von meinem Hof fährt. Obwohl ich ihn ja gleich schon wiedersehen werde, überkommt mich sofort ein Gefühl des „nur-halb-vollständig-Seins" ohne ihn an meiner Seite. Ich schmunzele in mich hinein und krame etwas umständlich meinen Schlüssel aus der Hosentasche heraus, als mir von hinten jemand in die Kniekehlen tritt und mich zu Boden reißt. Ich spüre einen Tritt in meiner Nierengegend und schreie laut auf. Verdammt. Was geht hier ab? Noch mehr Tritte treffen mich, überall am Körper. Instinktiv versuche ich, mich wie ein Baby zusammenzurollen und halte die Hände über meinem Kopf. „Das hast du jetzt davon, du elende Schwuchtel", sagt eine mir allzu bekannte Stimme zu mir. Etel? Das kann nicht wahr sein... „Du wirst dich von deinem Gitarristen trennen, damit das klar ist. Macht ihn fertig", weist ihre Schläger an und die kennen keine Gnade. Noch nie habe solch einen Hass in der Stimme eines Menschen gehört. Ich versuche, mich auf die Knie zu rappeln, aber sobald ich auch nur halbwegs oben bin, trifft mich schon der nächste Schlag oder Tritt, ich kann es nicht mehr unterscheiden. Mir tut alles weh. Luft...ich schnappe nach Luft, aber es hört einfach nicht auf. Wollen die mich umbringen? „Rick, rakastan sinua (ich liebe dich)", ist mein letzter Gedanke, bevor mich ein Tritt am Kopf trifft und mir schwarz vor Augen wird. Ich spüre nichts mehr.

RIKU

Mittlerweile ist es eine Stunde, seitdem ich Samu bei sich zuhause abgesetzt habe. Das ist definitiv zu lang. Sachen einpacken dauert bei ihm max. 10 Min. Die Fahrt mit dem Taxi maximal 15 Minuten. Ich werde immer unruhiger und tigere in meinem Wohnzimmer auf und ab. Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare, dann schnappe ich mir meine Jacke und stürme nach draußen. Ich laufe rüber zu dem Auto mit den Polizisten, die dort in Beobachtungsposition stehen. „Samu", stoße ich atemlos hervor. „Bitte sie müssen mir helfen. Ich ....Ich glaub, ihm ist was passiert." Der Beamte steigt aus und stellt sich vor mich. „Immer mit der Ruhe Herr Rajamaa. Hier ist alles ruhig. Was ist passiert?" Ich berichte ihm von meinem Verdacht, dass was nicht stimmt, weil Samu schon längst hätte bei mir sein müssen. Er guckt mich nachdenklich an und kratzt sich am Kopf. „Jetzt tun sie doch was", schreie ich ihn hysterisch an. „Steigen sie ein", weist er mich an und ich nehme auf der Rückbank des Autos Platz. Ich weise ihnen den Weg zu Samu's Haus und als wir dort ankommen, stürme ich sofort auf die Haustür zu, wo ich einen reglosen Samu vorfinde. Er ist blutüberströmt. „Fuuuuucck", schreie ich unter Tränen. Der eine Beamte telefoniert bereits mit dem Rettungsdienst. „Samu, hörst du mich?" Ich rüttle leicht an ihm und streichle ihm immer wieder durch seine blutverschmierten Haare. „Samu, bitte, komm zurück zu mir. Samu, verdammt." Ich halte ihn jetzt in den Armen und wiege ihn weinend vor und zurück. „Ich bring sie um", schreie ich aus vollem Herzen und breche über ihm zusammen. Die Stimmen der Sanitäter holen mich in die Wirklichkeit zurück. „Bitte lassen sie ihn jetzt vorsichtig los. Wir helfen ihm. Kommen sie." Der eine packt mich am Arm und zieht mich hoch. Schon kümmert sich der andere um Samu und setzt ihm einen Tropf. Ich werde zum Rettungswagen geführt, wo mir jemand fürsorglich eine Decke um die Schultern legt. „Bitte schieben sie ihren Ärmel hoch." Ich gucke in die Augen einer jungen Ärztin, meine ich. „Aber mir fehlt doch nichts", protestiere ich. „Sie haben einen Nervenzusammenbruch und stehen unter Schock. Also bitte." Widerwillig tue ich, was sie sagt und verziehe das Gesicht, als sie mir eine Nadel in den Arm jagt und die Flüssigkeit aus der Ampulle in meine Vene drückt. Dann zieht sie die Nadel raus, drückt kurz auf die Einstichstelle und klebt ein Pflaster drauf. Samu liegt inzwischen auf einer Trage und wird derweil in den Rettungswagen geschoben. „Kann ich mitfahren?" Der Sanitäter nickt und ich steige ein. Er zeigt mir, wo ich mich setzen kann und ich greife sofort Samu's Hand.„Es wird alles wieder gut, hörst du? Ich bin da, Babe. Es tut mir so leid. Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen", schluchze ich. Mit Martinshorn fahren wir im Eiltempo zum Krankenhaus und auch der Streifenwagen fährt hinter uns her. 10 Minuten später kommen wir endlich an. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt