Teil 5

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RIKU

In den letzten 2 Jahren bin ich durch die Welt gereist. An dem Morgen nach dem letzten Konzert in Helsinki im neuen Olympiastadion habe ich hier an meinem Küchentisch gesessen. Eine innere Unruhe in mir tobte durch meinen ganzen Körper. Ich war wie fremdgesteuert. Ich musste einfach nur noch weg, also habe ich mir von jetzt auf gleich noch am selben Tag, am 16.08.2020 einen Flug nach Australien gebucht und bin dorthin geflogen. Dort bin ich zunächst nach Sydney, wo ich in kleinen Clubs und Bars aufgetreten bin. Dann weiter nach Asien, Neuseeland und in die USA. Ich habe es nie lange in einer Stadt ausgehalten. Rast und ruhelos bin ich von einem Ort zum anderen gereist, habe viele nette und auch nicht so nette Menschen kennen gelernt, aber einen Menschen habe ich die ganze Zeit in meinem Herzen getragen. Wie oft hatte ich das Handy in der Hand, um ihn anzurufen oder ihm eine Nachricht zu schreiben, aber immer, wenn ich kurz davor war, hatte mich der Mut verlassen. Es hätte einfach zu weh getan, seine Stimme zu hören und ich wusste ja schließlich, dass er glücklich war, zumindest habe ich das bis heute gedacht. Aber scheinbar ist auch bei ihm nicht alles so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hatte. Etwas musste mit ihm und Etel geschehen sein, anders konnte ich mir seinen Totalabsturz nicht erklären. Wahrscheinlich war es nicht das erste Mal, dass er sich so abgeschossen hatte.

Ich spüre, wie sich die Müdigkeit in meine Glieder schleicht und mir die Augen immer wieder zufallen, also beschließe ich nach diesem langen Tag endlich ins Bett zu gehen. Ich kuschele mich unter meine Decke. Wie herrlich es ist, wieder im eigenen Bett zu schlafen. Blitzschnell schlafe ich auch ein und falle in einen tiefen und auch traumlosen Schlaf.

Am nächsten Morgen werde ich von den ersten Sonnenstrahlen geweckt, die durch die dicken Vorhänge fallen. Ich fühle mich tatsächlich ziemlich fit und ausgeruht. Zuerst schiebe ich die Vorhänge zurSeite und mein Blick fällt in meinen zugeschneiten Garten. Die Sonne strahlt von einem klaren und wolkenlosen Himmel und lässt den Schnee glitzern. Das sieht einfach wunderschön aus. Home sweet Home heißt es ja immer so schön und genau das ist es in diesem Augenblick. Ich ziehe mir schnell eine Jogginghose über und gehe runter in die Küche, ich brauche dringend einen Kaffee. Zum Glück war ich wenigstens so schlau, mir zuerst eine Packung am Flughafen zu kaufen,denn ansonsten herrscht in den Schränken und im Kühlschrank natürlich gähnende Leere. Ich habe ziemlichen Hunger, aber ein Frühstück kann ich wohl erstmal vergessen. Ich frage mich, wie es meinem Komapatienten wohl geht. Nachdem ich  den Vollautomaten wieder in Betrieb genommen habe und mit Freude feststellen kann, dass er noch funktioniert, stelle ich eine Tasse unter den Auslauf und der Duft von heißem Kaffee steigt mir in die Nase. Eine echte Wohltat. Ich nehme einen großen Schluck. OH mein Gott, wie gut das tut. Dann mache ich noch eine zweite Tasse fertig und nehme sie mit ins Gästezimmer, um nach Samu sehen.Der liegt immer noch friedlich schlafend auf dem Bauch alle viere von sich gestreckt im Bett. Aber wenigstens schnarcht er nicht mehr so furchtbar. Ich öffne auch hier die Vorhänge und lasse erstmal frische kalte Luft herein, denn der Geruch von Alkohol liegt in der Luft. Samu hat eine ordentliche Fahne. Ich setze mich auf die Bettkante und betrachte den schlafenden Blondschopf einen ziemlich langen Moment. Fast möchte ich meine Hand ausstrecken, um ihm über den Kopf zu streicheln, ziehe sie aber im letzten Moment zurück. „Reiß dich zusammen, Rick", ermahne ich mich selbst. 

Do we love it enough to come back home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt