Kapitel 160 ♥

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Ich wusste nicht wohin. Ich wusste einfach nur, dass ich so schnell wie möglich weg von diesem Hotel möchte, weg aus dieser wunderschönen Umgebung, weg von Mario. Kurze Zeit später befand ich mich auch schon im Taxi in Richtung Flughafen. Ich wusste nicht mal, ob heute noch ein Flug zurück nach Deutschland geht, es war immerhin schon nach 22 Uhr. Ich bemerkte, dass der Taxifahrer mich die ganze Zeit im Innenspiegel beobachtete. Am liebsten hätte ich ihn angemault, dass er nicht so glotzen soll, ob er denn zum ersten Mal in seinem Leben ein heulendes Mädchen sieht. Aber ich hatte keine Kraft zu sprechen oder überhaupt meinen Mund zu öffnen. Ich hatte nicht mal Kraft zu Weinen, die Tränen flossen einfach wie von selbst aus meinen Augen, über meine Wangen, bevor sie schlussendlich von meinem Kinn auf meinen Schoß tropften.

In dem großen Flughafengebäude kam ich mir unfassbar klein, verloren und alleine vor. Meine Schritte führten mich zu einem Infoschalter. Ich hörte mich fragen, wann der nächste Flug nach München geht. Morgen Nachmittag hieß es. Mir blieb eigentlich keine andere Möglichkeit, als mir ein Hotel für eine Nacht zu suchen und morgen zurück zu fliegen, doch dann kam mir eine weitaus bessere Idee. Nämlich zu meiner Familie nach Los Angeles zu fliegen und tatsächlich: 2 Stunden später ging der Flug zurück in meine Heimat. Zu meiner Familie zu fliegen erschien für mich in diesem Moment einfach die sinnvollste Entscheidung. Bei ihnen fühle ich mich geborgen und geliebt und das beste war: Ich war weit genug weg von Mario und all den Erinnerungen und Problemen, zumindest vorerst...

Erst als mein Finger 2 Zentimeter von der Klingel entfernt war, kamen Zweifel in mir auf. Was ist, wenn sie gar nicht da sind, sondern im Urlaub? Immerhin hatte Naomi Ferien. Hätte ich nicht einfach doch zurück nach München fliegen sollen? Meine Zweifel verflogen sehr schnell, als meine Mom die Tür öffnete. Anscheinend hatte ich unbewusst geklingelt. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie hielt sich die Hand vor den Mund. Mit mir hatte sie wohl als letztes gerechnet. Ihr Blick wanderte von mir, zu meinem Gepäck und wieder zurück in mein verheultes, durchgemachtes Gesicht. „Honey! Was ist passiert? Wie geht's dir? Wo ist Mario?" Ihr könnt euch vorstellen, welche Frage mir den größten Schmerz im Herz verursachte. Sie zog mich in eine flüchtige Umarmung und half mir dann meine Sachen ins Haus zu bringen. Kaum war ich im Flur, kam mein Dad die Treppen runter, er sah mindestens genauso geschockt aus wie meine Mom vor wenigen Sekunden. „Was machst du denn hier? Wusstest du davon?", richtete er sich dann an seine Frau, diese schüttelte nur den Kopf. „Ich erkläre euch das alles später, ich würde jetzt gerne erstmal duschen und dann ein wenig raus gehen" Meine Eltern waren davon zwar nicht ganz so begeistert, aber natürlich ließen sie mich und so war ich dann 45 Minuten später in meiner alten Gegend unterwegs. Ich joggte vorbei an dem Spielplatz, auf dem ich früher jeden Nachmittag gespielt hatte und an dem kleinen Einkaufsladen um die Ecke, der sich kaum verändert hatte. Dann machte ich mich auf den Weg zu meinem absoluten Lieblingsplatz.

 Dann machte ich mich auf den Weg zu meinem absoluten Lieblingsplatz

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Es war außerhalb der Stadt, direkt am Meer auf einer Art Brücke. Das Geländer war bei weitem nicht mehr so stabil wie damals, als ich nach der Schule immer mit meiner besten Freundin hier entspannt habe. Aber ich lehnte mich trotzdem daran und hatte einen wunderschönen Blick auf das Meer und den Strand der sozusagen direkt unter mir war. Die heiße Mittagssonne reflektierte sich in meinem Verlobungsring und dieses schreckliche Gefühl in meinem Herzen kam schlagartig zurück. Ich vermisste Mario unendlich. Ich hatte in meinem Leben ja schon wirklich viel durchgemacht, aber wie ich das verkraften sollte, war mir ein Rätsel. Ich nahm den Ring ab und drehte ihn zwischen meinen Fingern. Dachte dabei an den Antrag, damals als ich mit Marco auf der Karibik war, auf dem Usher Konzert und dann stand plötzlich Mario auf der Bühne. Er und Usher haben mich dann unter tobendem Applaus nach vorne geholt und dann hat Mario mir mitten auf der Bühne einen Heiratsantrag gemacht und ich war noch nie in meinem Leben so glücklich gewesen. Vor dem Urlaub hatten Mario und ich auch gestritten und es hat so ein wunderschönes Ende genommen. Und jetzt? Ich denke nicht, dass es diesmal wieder so endet. 

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich fürchterlich erschreckte, als ich plötzlich einen kurzen, aber heftigen Stoß gegen meine Wade spürte. Dadurch wurde ich ein Stück nach vorne geschubst und ich konnte schön beobachten, wie mein Verlobungsring, den ich bis gerade eben immer noch zwischen meinen Fingern hin und her gedreht hatte, nach unten auf den Strand segelte. „Du dreckiger H*rensohn! Kannst du nicht aufpassen???!!!", fuhr ich nun den Verursacher an, beziehungsweise seinen Rücken. Er war gerade dabei sein Fahrrad, mit dessen Pedal er gegen mich gekommen war, wieder aufzuheben. Er drehte sich um und sofort blendete mich die Sonne doppelt, da sie sich erstens in seiner Sonnenbrille und zweitens auf seinem Zahnpasta-Werbung-Lächeln reflektierte. „Na na na, man muss ja nicht gleich so ausfallend werden", lachte er. Er spricht deutsch. Natürlich spricht er deutsch! Wieso auch nicht? Wieso kann mich bei 3,88 Millionen Einwohnern nicht einfach ein einheimischer, der kein deutsch spricht, fast die Brücke runterschubsen? Ich wollte mich gerade für meine doch untypische Wortwahl entschuldigen, da nahm der Fremde seine Sonnenbrille ab, wahrscheinlich um mich mit seinen giftgrünen Augen zu hypnotisieren. „Hab ich dich stark verletzt?", wollte er dann wissen. Achja, die Wade hatte ich ganz vergessen. Ich sah, dass ich viele blutige Kratzer hatte, aber ich spürte rein gar nichts. Der ganze Schmerz lag sowieso nur in meinem Herzen. „Nein, aber du hast so eben meinen Verlobungsring dort runter befördert!", maulte ich ihn an. Nur weil er aussieht, als würde er für Calvin Klein modeln, hat er deswegen auch keine lobsingenden Worte verdient. „Naja ich denke mal, die Verlobung findet sowieso nicht mehr statt", meinte er. Dieser Satz machte mich wütend. „Achso und woher genau möchtest du das wissen?" Genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Naja wenn die Beziehung so super laufen würde, würdest du wahrscheinlich nicht hier ganz alleine mit verheultem Gesicht stehen und höchstwahrscheinlich war der Ring auch nicht an deinem Finger, sonst hättest du ihn ja gar nicht loslassen können" Ok, dieser Typ war mir eindeutig suspekt.

Mario Götze - Meine große LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt