Kapitel 178 ♥

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"Guten Tag Frau Beck. Wie geht es Ihnen?" Ein ca. 50- jähriger, großer, schlanker Mann in einem weißen Kittel und mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht streckte mir seine Hand entgegen. "Ging schonmal besser", antwortete ich ehrlich und schluckte schwer. "Haben Sie irgendwelche Beschwerden? Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen? Irgendetwas?" Ich schloss die Augen und hörte einige Sekunden wirklich nur komplett auf meinen Körper. Doch das einzige was ich fühlte war mein Herz, das mir schwer gegen den Brustkorb hämmerte. Ich schüttelte den Kopf. "Auch nicht in den letzten Tagen?", fragte Herr Kramer und begann damit, den Ultraschallkopf mit der kalten Flüssigkeit auf meinem Bauch zu verteilen. Ich dachte angestrengt an die vergangene Woche. Sie war ziemlich ruhig gewesen, gestern hatte ich dann Mario vom Training abgeholt und Abends sind wir dann in den Club, in den ich so schnell ganz sicher nicht mehr gehen werde. "Nein, es war alles gut", antwortete ich dann auf seine Frage. "Hmm", machte Herr Kramer und fuhr weiter über meinen Bauch. Von rechts nach links, von oben nach unten und hatte den Blick stets auf den Bildschirm gerichtet. Ich kniff die Augen zusammen, ich wollte einfach keine Reaktion wie in meinem Traum sehen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich einfach nur mit geschlossenen Augen da lag und auf irgendeine Reaktion wartete, entfernte der Arzt das Gerät von meinem Bauch und ich spürte wie er mir Tücher darauf legte. Das war mein Kommando die Augen wieder zu öffnen. Herr Kramer trocknete sich gerade seine Hände ab, starrte aber immer noch auf den Bildschirm. "Hatten Sie in letzter Zeit vielleicht viel Stress?" Oh wenn der wüsste wie meine letzten Monate aussahen. Wo soll ich da anfangen? Mario hatte sich von mir getrennt, ich verbrachte eine Nacht in einem puren Horrorhaus, was mit einer versuchten Vergewaltigung und Aufenthalt auf der Polizeistation endete, ich bekam zum ersten Mal in meinem Leben eine Anzeige, Mario war mir angeblich fremdgegangen, wir hatten uns wieder vertragen, wir sind nach Dortmund gezogen, ich habe mein Studium geschmissen... "Ja, es war in letzter Zeit etwas turbulent", spielte ich die ganze Sache runter. Der Arzt nickte. "Dann wird das wohl auch der Grund für die Irritationen in Ihrem Blutbild gewesen sein, denn auf dem Ultraschall konnte ich nichts erkennen, alles prima. Und KO-Tropfen von letzter Nacht konnten wir ja glücklicherweise auch nicht nachweisen. Wenn Sie darauf bestehen, können wir die Magen-Darm Spiegelung übermorgen trotzdem gerne durchführen, obwohl ich dafür jetzt eigentlich keinen dringenden Grund sehe" Seine Worte prasselten auf mir ein wie schöner, sanfter Regen nach einem langen heißen Tag. "Also um das jetzt richtig zu verstehen: Ich bin nicht schwanger, oder?" Der Arzt lachte über meine direkte Frage, aber verneinte sie dann. "Nein, kein Kind im Anmarsch" Es fühlte sich an, als würde man mir eine tonnenschwere Last von den Schultern und vom Herzen nehmen. Ich verabschiedete mich freundlich und lief zurück in mein Zimmer, wo ich meine wenigen Dinge zusammensuchte und mich dann auf dem Weg zum Empfang machte. Ich bekam noch ein paar Zettel und Formulare mit und wurde dann entlassen.

Außen zerrte ich mir meine Jacke noch fester um den Körper. Es war ein typisches Novemberwetter und ein paar Schneeflocken landeten auf meiner Nase. Ich atmete einmal tief ein und aus, sog die eisige Luft in meine Lungen um sicher zu gehen, dass es diesmal KEIN Traum war. Ich entsperrte mein Handy und sah, dass Mario mir geschrieben hatte:

>Es tut mir Leid Prinzessin. Ich habe komplett überreagiert! Ich kann mir nichts schöneres vorstellen als irgendwann mal eine eigene Familie mit dir zu haben..! Wir schaffen alles zusammen. Bitte ruf mich an, wenn du fertig bist.. ich liebe dich über alles.<

Die Wut, die ich bis eben noch für ihn empfunden hatte war wie weg geblasen und auf mein Gesicht breitete sich ein glückliches Lächeln. Mit Bedacht rief ich ihn nicht an, sondern schrieb ihm, dass er mich jetzt abholen kann. Dann setzte ich mich auf eine Bank neben dem Eingang, die schon gut mit Schneeflocken bedeckt war. Es war eisig kalt und ich fing an zu Schlottern, doch anstatt im Inneren des Krankenhauses auf ihn zu warten, genoss ich die bittere Kälte bis ich Marios Audi auf den Parkplatz fuhren sah. Er parkte, steigte aus dem Wagen und ich lief ihm entgegen. Geduldig wartete er bis ich vor ihm stand.

-Marios Sicht-

Wie in einem Märchen kam Emi auf mich zugelaufen. Es war inzwischen schon stockdunkel und es hatte stärker angefangen zu schneien. Als sie dann vor mir stand erkannte ich ihre rote Nase und roten Backen, die vielen Schneeflocken in ihren langen schönen Haaren, die mir verrieten, dass sie die letzten 15 Minuten wohl außen verbracht hat. Ohne zu überlegen zog ich sie an meine Brust und drückte sie an mich, gab ihr einen behutsamen Kuss auf den Kopf. Schon kurz nachdem ich vorhin das Krankenhaus verlassen hatte, bereute ich die Worte die ich ihr an den Kopf geschleudert hatte. Ich hätte sie vorsichtiger formulieren sollen. Ich wünsche mir doch nichts sehnlicher als irgendwann einmal Kinder mit ihr zu haben. Dann, wenn der richtige Moment gekommen ist. Und wenn dieser Moment jetzt ist, dann soll es eben so sein. Doch anstatt ihr das so zu sagen, hatte ich mich wie ein verdammtes Arschloch benommen. Die ganze Autofahrt bis hier her zurück versuchte ich mir dann die passenden Worte zurecht zulegen und mir einzureden, wie schön es wäre jetzt schon ein Kind mit ihr zu bekommen. Sie sollte wissen, dass ich für sie da bin. Immer und bedingungslos.

"Was hat der Arzt gesagt?", wollte ich dann schließlich von ihr wissen. Ich spürte wie sie gegen meinen Brustkorb seufzte, dann löste sie sich aus meiner Umarmung und sah zu mir nach oben. "Ich bin wirklich schwanger", sagte sie und ihre Zähne fingen wieder an zu Klappern. Mein Gehirn war wie leer gefegt. Alle aufbauenden Sätze, alle schönen Worte die ich mir auf dem Weg hier her zurecht gelegt hatte, waren komplett weg. Deswegen schluckte ich einmal schwer und zog sie dann einfach wieder an meine Brust. "Gut" Es gibt für diesen Moment unzählige Reaktionen, die ein Mann auf so eine Nachricht zeigen kann. Da gibt es Männer, die brechen in Tränen aus. Es gibt Männer, die springen vor Glück in die Höhe. Es gibt Männer, die sich umdrehen und gehen und es gibt Männer die am liebsten alles und jeden anschreien und verfluchen und owbohl in diesem Moment jeder dieser Männer in mir steckte, brachte ich einfach nur ein atemloses "Gut" zustande und drückte Emi noch enger an mich. Plötzlich spürte ich ihr Lachen an meiner Brust. Sie musste einige Kraft aufwenden, sich wieder ein Stück von mir zu wegzudrücken und mich anzusehen. "Gut?", wiederholte sie mich lachend. "Ja.. Ich meine, es ist doch gut...oder?" Mein Gott, ich stellte mich wirklich an wie ein kleiner Junge. "Mhhh", machte sie und hörte einfach nicht auf zu Schmunzeln. "Und was würdest du sagen wenn ich dir verrate, dass...ICH DICH GERADE REINGELEGT HABE UND NICHT SCHWANGER BIN??" Bei dem letzten Satz löste sie sich endgültig aus meinen Armen und grinste mich triumphierend an. "Oh Gott sei Dank", rutsche es aus mir und ihre Augenbrauen schossen nach oben. "Ich meine... Oh schaaade", schob ich schnell hinterher und zog sie schnell wieder an mich, bevor sie wieder abhaut. "Idiot", lachte sie und boxte mir auf die Schulter bevor sie ihre Stirn an meinen Oberkörper anlehnte.


Mario Götze - Meine große LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt