1

558 18 3
                                    

Nachmittags war ich mit meinen besten Kumpeln Christoph und Felix verabredet. Treffpunkt war eine kleine Eisdiele im Ort. Früher waren wir dort freitags öfters nach der Schule hingegangen. Die guten alten Zeiten. Als ich ankam, waren die beiden schon da. Wie immer ich hatte es nicht wirklich mit der Pünktlichkeit. Ich begrüßte die beiden und setzte mich dann zu ihnen an den Tisch. Wir bestellten uns jeder einen Eisbecher. „Ihr glaubt nicht was ich heute für eine Entdeckung gemacht habe", begann ich zu erzählen. „Und was sind das für Briefe?", fragte Felix. Ich zuckte mit den Schultern, „irgendwas geheimes muss da wohl drinstehen, sonst hätte meine Mutter die wohl schlecht weggeräumt und in ihrem Zimmer eingeschlossen?", meinte ich. „Wieso bist du dir so sicher das es nicht einfach irgendwelche Liebesbriefe sind?", fragte er dumm weiter. Der Typ hat echt nichts in der Birne. „Denkt doch mal mach würde seine Mutter die wegpacken wenn es Liebesbriefe sind?", antwortete Christoph. „Ja, wenn sie nicht von Disses Vater sind", meinte Felix. „Nein, der Absender war ein Herr und eine Frau Nilsson, die Vornamen hab ich vergessen", erinnerte ich mich. „Wer soll das bitte sein?", überlegte Christoph. „Ich hab keine Ahnung", gestand ich. Oder doch? Hatten meine Eltern vielleicht mal zufällig ihren Namen erwähnt? Ich kramte in den Tiefen meines Gedächtnis, würde daraus aber auch nicht schlauer. Wann würde ich Briefe wegsperren? Wenn was verbotenes drinsteht? Haben meine Eltern eine Straftat begangen? Nein! Das würde sie aber garantiert nicht in Briefen klären? Was für einen Sinn haben diese Briefe. Ich merkte die verwirrten Blicke meiner Freunde auf mir. „Alles klar bei dir?", fragte Felix besorgt. „Ja ich hab nur nachgedacht", antwortete ich ausweichend. In Wirklichkeit war nicht alles klar bei mir. Ganz und gar nicht. Ich bin unglücklich in meinen Mannschaftskollegen verliebt und dann hat meine Mutter auch noch irgendwelche dunklen Geheimnisse vor mir. Dieser Woche ist einfach beschissen um es mal harmlos auszudrücken. „Was machst du eigentlich hier?", wollte Felix wissen. Ich mag ihn ja eigentlich aber seine ständige Fragerei geht mir gerade wirklich auf den Keks. „Uns vielleicht besuchen", wand Baumi ein. Ich war ihn gerade dankbar, sonst hätte ich womöglich noch damit rausrücken müssen, dass ich schwul bin und in Lukas verliebt. Nein lieber nicht. So muss ich nicht mal lügen! Die Bedienung brachte uns unser Eis. „Wir müssen übrigens unbedingt mal wieder zusammen in den Urlaub", schlug Baumi vor. „Auf jeden Fall", stimmt Felix zu. Auch wenn mir gerade nicht wirklich nach Urlaubsplanung war, willigte ich ein. „Wo habt ihr nochmal euer letztes Spiel?", fragte Baumi. Ich zuckte ratlos mit den Schultern, „auswärts ich glaub Minden", schätzte ich. „Ok, dann treffen wir uns in Köln und fliegen von dort weg in Urlaub?", schlug Felix vor. „Wohin willst du denn fliegen?", warf ich ein. Er zuckte ratlos mir den Schultern. „Wir sollten vielleicht erstmal planen wohin wir fliegen?", schlug ich vor. „Oder wir machen auf Zufall mal reisen ohne Plan", scherzte Felix. Haha guter Witz! Doch er wirkte nicht so als hätte er es als Witz gemeint. „Du meinst das jetzt nicht ernsthaft?",  sprach Baumi meine Gedanken aus. „Doch", versicherte er. Wir können doch nicht ohne Ziel reisen? Oder doch? Nein, dieser Gedanke machte mich Angst. Ich war ein Mensch der seinen Tag plant. Nein, das ist eindeutig nichts für mich. „Dann mach halt ein Vorschlag wo wir hinkönnten", meinte Felix. „Ja was weiß ich", sagte ich, „da gibts viel Kanada, was Skandinavisches, Südamerika, Australien, Thailand", begann ich aufzuzählen. „Nach Asien kannst du 2020", lachte Baumi. „Ja es muss ja nicht Asien sein, auch wenn wir frei Wegs losgehen müssen wir etwas einen Plan haben wo wir hinwollen", meinte ich. „Wie wärs mit Schweden?", warf Felix ein. Schweden war kein gutes Stichwort. Sofort musste ich an Lukas denken! Nein, nicht wieder losheulen. Ich habe schon genug Tränen vergossen, wegen nichts. Ich muss mir endlich eingestehen, dass da nichts zwischen uns gelaufen ist. „Ist was du schaust als würdest du am liebsten gleich losheulen", fronttierte Felix mich mit der Wahrheit. Stark bleiben! Ich redete mittlerweile schon mit mir selbst. Wie erbärmlich! „Ja, ich musste grad nur an Luki denken", wich ich aus. „Ich dachte ihr seit best Friends", öffnete Baumi das neue Thema. „Sind wir ja auch", sagte ich schnell. Ich will nicht das erst mit diesem Thema angefangen wird. Erstens weiß ich nicht wie lange ich mich noch im Griff habe, zweitens die Gefahr, dass ich mich hinsichtlich meiner sexuellen Orientierung verplappere war einfach zu groß. „Erde an Disse, wo bist du denn heute nur mit deinen Gedanken", weckte mich Baumi aus meinen Tagesträumen auf. „Was?", stotterte ich verwirrt. Das peinlich ist nicht dabei bemerkt zu werden, wie man in den Gedanken versunken dasitzt, sondern wenn man es sich dann auch noch anmerken lässt. „Was ist denn mit dir in letzter Zeit los?", fragte Baumi. „Nichts", antwortete ich schnell, „bin nur etwas gestresst." „Also was machen wir jetzt mit Urlaub?", wechselte Felix das Thema. Und zum ersten Mal an diesem Tag war ich froh über etwas was er gesagt hat. „Mit dem Urlaub", verbesserte ihn Baumi. „Ist ja alles dasselbe", lachte er. Gerade erinnerte er mich etwas an Dener. Oh man! Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln. Der Typ hat eindeutig einen Gehirnschaden, aber er ist so dumm das es wieder lustig ist. Ich vermisste ihn! Wir beide haben echt viel Zeit miteinander verbracht. Warum Felix mich jetzt an ihn erinnert? Weil er immer wenn man ihn verbessert hat, genau dasselbe wie Felix gerade erwidert hat. Dem Idioten könnte ich auch mal wieder einen Besuch abstatten. „Man Christian, wo bist du jetzt schon wieder in deinen Gedanken?", wollte Baumi wissen. Wieso muss er es immer sofort merken, wenn ich geistig abwesend bin? Wie so eine Eule! „Bei Dener, Felix hat mich gerade an ihn erinnert", erklärte ich. „Du hast mich mit diesem Vollpfosten verglichen?", widersprach Felix. „Du kennst ihn nicht mal", warf ich ein und funkelte ihn dabei wütend an. „Jungs jetzt kommt doch mal wieder runter", schlichtete Baumi. „Ich mein ja nur er denkt die ganze Zeit an irgendwelche Mannschaftskollegen, ich frag mich nur ob er wenn er mit denen zusammensitzt an uns denkt?", erklärte er. „Bist du jetzt eifersüchtig oder was?", lachte ich. „Nein, ich sprech hier von Tatsachen", beschwerte er sich. „Eine Runde Mitleid für Felix", scherzte Baumi. „Jetzt macht euch nicht lustig über mich", sagte er beleidigt. Man heute war der auch echt anstrengend. Lachend schüttelte ich den Kopf. „Komm her, lass dich knuddeln, ich hab dich doch lieb", versicherte ich und zog ihn in meine Arme. „Jetzt fühl ich mich ausgeschlossen", schmollte Christoph. „Komm her", sagte ich. Wir machten eine Gruppenumarmung. Alle anderen Gäste schauten uns verwirrt an. Das war mir aber gerade egal. Wir lösten uns wieder voneinander und widmeten uns wieder unseren Eisbechern und Urlaubsplänen. Mein Eis war mittlerweile Soße. „Also ich find die Idee von Felix gar nicht mal so schlecht", meinte Christoph. Und Felix warf mir einen triumphierendem Blick zu. Ich war immer noch skeptisch. Reisen ohne Plan? Ist das wirklich eine gute Idee? Oder mach ich mir einfach nur wieder zu viele Sorgen. „Wir können es uns ja mal überlegen", ließ ich meine Entscheidung offen. „Wann spielst du eigentlich wieder Angriff?", wechselte Baumi jetzt nun zu Handball. Ich zuckte mit den Schultern. Zwar wurde ich in letzter Zeit wieder öfters im Angriff eingesetzt, aber hauptsächlich immer noch in der Abwehr. Ich würde ja gerne mehr Angriff spiele, aber meine Leistungen waren nicht gut genug. Mir fehlt eindeutig die Konstanz. Die zahlreichen Verletzungen und Rückschläge haben Spuren hinterlassen. „Wenn er wieder so freie wie beim Spiel gegen Gummersbach verwirft dann wohl eher nicht", scherzte Felix. Das Spiel Gummersbach. Eindeutig kein guter Tag für mich. Danach musste ich auch noch ein Interview und Autogramme geben, obwohl ich eigentlich gar keine Lust hatte, weil ich mit meiner Leistung nicht zufrieden war. Und danach dann das mit Lukas! Ein Tag den ich am liebsten vergesse würde, aber irgendwie nicht vergessen kann. Ich war eindeutig schon wieder zu lange in meinen Gedanken. Ich spürte Baumis prüfenden Blick auf mir. „Frag Alfred", sagte ich schließlich. „Wir sind am 15ten übrigens am Start, also da wollen wir dann ne anständige Leistung sehen", forderte Felix. „Jetzt setz ihn nicht so unter Druck", meinte Baumi. „Unter Druck spielt er immer besser", meinte er dagegen. Eigentlich wollte ich nicht wieder zurück nach Kiel. Wegen Lukas. Wie soll ich es nur aushalten ihn jeden Tag zu sehen? Wann werden es meine Gefühle endlich kapieren, das nie was aus uns beiden werden kann? Wieso kann man seine Gefühle nicht einfach abstellen? Warum gibt es dieses verfluchte was man auch Liebe nennt überhaupt? Zu viele Frage auf einmal! „Also Leuts ich muss dann", meinte Felix. Wir verabschiedeten uns von ihm und dann waren Christoph und ich alleine. Wie zählten und gingen am Rhein entlang. Schweigend. Kennt ihr das wenn ihr jemanden eigentlich ein Geheimnis anvertrauen wollt und eigentlich wisst, dass es bei dieser Person gut aufgehoben ist, euch aber trotzdem nicht traut? Genau so ging es mir in der Sache mit meiner Homosexualität. Ich weiß sogar, dass er nichts gegen Schwule hat, weil wir mal darüber geredet haben. Trotzdem traue ich mich. Doch dann meldet sich mein schlechtes Gewissen, weil ich ihn so was verschweige. Ist es nicht besser so früh wie möglich? „Jetzt spuck es schon aus, ich seh doch das dich was betrügt", meinte Christoph. Kann er Gedanken lesen? Nein, dann wüsste er es ja schon längst. „Ich weiß aber nicht wie ich es dir sagen soll außerdem müsstest du fest versprechen kein Wort darüber an jemanden zu wenden, weder deine Frau noch Felix", erklärte ich. „Jetzt machst du mir Angst, du hast doch keine Bank ausgeraubt", scherzte er. Eine Bank ausgeraubt wäre mir gerade sogar lieber! „Also...", begann ich, doch ich brach ab, weil mir wieder Zweifel aufkamen. „Was ist so schlimm, dass du es mir nicht sagen kannst", wollte er wissen und schaute mir direkt in die Augen. Ok, jetzt gab es kein zurück mehr. „Also ich bin schwul, und jetzt lass mich bitte ausreden. Ich weiß, ich hätte es euch viel früher sagen müssen. Aber du bist gerade der erste, der es erfährt. Ich konnte es einfach nicht, weil du weißt auch wie Homosexualität im Sport gesehen wird. Ich wollte nicht, dass ihr auch „lügen" müsst. Jetzt weißt du auch warum ich seit Jahren Single bin", beendete ich meinen Vortrag. Ich schaute ihn an. Währenddessen ich geredet habe, hab ich stur auf den Boden geschaut. Ich versuchte irgendwas aus seinem Gesicht ablesen zu können. Vergeblich! Er schaute wie immer, sagte nur nichts. Habe ich gerade es geschafft, meinen besten Freund zu verjagen. Wenn dann bin ich wirklich selbst Schuld. Wieso war ich auch so dumm und hab es für mich behalten? War das egoistisch. Ich denke schon. Ja, ich habe nur wegen meiner Karriere so gehandelt. Bin ich ein schlechter Freund? Aber wenn selbst meine Mutter so schwerwiegende Geheimnisse vor mir geheimgehalten hat, dann sollte ich mich nicht schlecht fühlen. Oder doch? Vielleicht bin ich einfach zu sehr wie meine Mutter? "Wenn du ein Problem, damit hast, dann kannst du es gerne sagen", sagte ich schließlich, ich wusste nicht, was ich sonst hätte sagen sollen. "Nein, das ist e nicht, es ist nur ich hätte mit allem gerechnet, aber halt nicht damit", stotterte er, während er den Blick von mir abwendete. Ich hab es verkackt. "Und was jetzt?", fragte ich. "Muss ich es erstmal verdauen", gestand er. "Ok", sagte ich, verabschiedete mich kurz und machte mich dann gedankenverloren auf den Heimweg. Wieso muss ich es immer hinbekommen meine Freundschaften zu zerstören, Warum stoße ich alle Menschen irgendwann in die Flucht? Als ich am Friedhof vorbeikam, beschloss ich erstmal meinem Vater einen Besuch abzustatten. Wenn er mich überhaupt sehen will. Was würde mein Vater zu meiner sexuellen Orientierung sagen? Eigentlich war ich gerade froh; dass er nicht mehr da war, ich hätte nämlich Angst vor seiner Reaktion. Ich setzte mich vor das Grab von meinem Vater. Ich weiß es muss für andere Friedhofbesucher seltsam vorkommen; aber ich rede mit dem Grab von meinem Vater. "Hey Dad, ich wollte mal wieder Hallo sagen: Heut war ein richtiger scheiß Tag: Ich hab auf dem Dachboden geheime Briefe gefunden, als Mama das herausgefunden hat, hat sie sie weggesperrt und den Boden abgeschlossen. Weißt du was es sich mit diesen auf sich hat? Nein, wahrscheinlich nicht! Oder doch? Waren sie an dich gerichtet? Ok, dann hab ich Baumi gesgt, dass ich schwul bin und jetzt brauch er Zeit um das zu verdauen. Jetzt bist du wahrscheinlich total enttäuscht von mir, wie alle. Ich hoffe es geht dir gut, ich vermisse dich!"; dann stand ich auf und ging den restlichen Weg nach Hause. Meine Mutter war bereits da und kochte. Da ich immer noch sauer auf sie war, ging ich wortlos in mein altes Kinderzimmer. Überall hängen BVB Poster. Ich ließ mich auf mein Bett fallen. Ich merkte, dass mein Handy blinkte. 10 Nachrichten von Lukas. Was will der jetzt von mir?
2.Kapitel ich weiß nicht ob ich damit zufrieden bin oder nicht. Freu mich über Feedback. LG Tino

Spiel um Spiel, Lüge um Lüge und wann sieht er es ein?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt