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Disse:
Im Bus saßen Lukas und ich seit langer Zeit mal wieder neben einander. Er hatte seine Kopfhörer aufgesetzt und schaute aus dem Fenster. Was niemand sehen konnte, dass unsere Hände ineinander verschränkt waren. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. „Alles gut?", fragte er besorgt. „Ich bin nur müde", murmelte ich. „Wir fahren nicht einmal zehn Minuten", meinte er. Kurz darauf hielt der Bus vor der Halle, in welcher ich mein erstes Handballspiel in der Bundesliga absolviert habe. Mittlerweile war ich enttäuscht heute nicht auflaufen zu dürfen. Jetzt bin ich mal fit, dann renn ich gegen eine scheiß Tür und darf von draußen zu schauen. Während die anderen ihre Trainingstaschen aus dem Gepäckraum holten, suchte ich Detlev auf, vielleicht ist da doch noch was zu verhandeln. „Darf ich spielen?", bettelte ich. „Ich weiß nicht, der Typ aus dem Krankenhaus hat gemeint, du solltest nicht spielen. Aber eigentlich machst du mir einen guten Eindruck, klär das mit Alfred. Ich hätte nichts dagegen", meinte er. Also ging ich zu Alfred. „Darf ich mich mal mit aufwärmen?", fragte ich. „Ich hab nichts dagegen wenn du dich mit aufwärmst, dann können wir ja sehen, wie gut es geht", schlug er vor. Ich nickte dankbar und ging dann auch zu Gepäckraum um meine Tasche zu holen. „Was hast du vor?", fragte Lukas. „Ich hole meine Tasche", sagte ich. Er griff nach meinem Arm. „Du hast jetzt nicht vor zu spielen", fragte er besorgt. „Alfred hat es erlaubt, dass ich mich mit warm machen darf", erklärte ich. „Disse willst du das wirklich riskieren", er wirkte total verängstigt. „Ja, mir wird schon nichts passieren", versicherte ich ihm. Ich wollte ihn beruhigen. Ich griff nach meine Tasche und nahm sie über die Schulter. „Du willst Spielen?", fragte Raffi, „ich dachte du fällst aus?" „Alfred hat es erlaubt, dass ich mich mal mit warm machen darf", erklärte ich. „Ich will nicht, dass du das Risiko eingehst", gab Lukas zu. Ich nahm seine Hand und dreht ihn in meine Richtung, sodass wir uns direkt in die Augen sahen. „Disse", hörte ich jemanden erfreut rufen. „Christian", stellte ich überrascht fest. „Was machst du hier? Ich dachte du spielst jetzt bei Lemgo", fragte ich. „Ja schon, aber bin gerade verletzt und dachte ich könnte mal wieder in meine Heimat zurückkehren", grinste er. Wir umarmten uns kurz. „Ich muss dann", entschuldigte ich mich. Er nickte verständnisvoll. „Dann viel Glück", wünschte er. Ich drehte mich um. Lukas war nicht mehr da. Bitte sag jetzt nicht, dass er eifersüchtig ist. Ich öffnete die Tür zur Kabine. Lukas diskutiert wild mit Alfred. Ich legte meine Tasche ab, ich hätte nämlich schon so eine Ahnung, dass er Alfred überreden wollte, mich nicht spielen zu lassen. „Das ist seine Entscheidung", hörte ich Alfred sagen. „Lukas", sagte ich mit ernster Stimme. Er zuckte erschrocken zusammen. Ich nahm ihn am Arm und zog ihn in den Duschraum. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen", bekräftigte ich. „Das haben wir ja gestern gesehen", schluchzte er. Ich nahm ihn in den Arm. „Ich pass auf mich auf versprochen, ich mach mich nur mit warm. Ich spiele nur im Notfall", versprach ich. „Wenn du meinst", seufzte er. Ich fand es ja irgendwie echt süß, wie er sich Sorgen macht. Aber übertreibt er nicht auch etwas. „Lukas, Disse ihr solltet euch mal umziehen", unterbrach uns Sprengi. Wir lösten uns wieder voneinander und kehrten in die Umkleide zurück. In Windeseile zogen wir uns um, während wir Alfreds Ansprachen lauschten. „Gut dann geht euch mal warm machen", meinte er. Geschlossen gingen wir aus der Kabine. Ich blieb an der Tür stehen und wartete auf Lukas, der noch mit seinen Haaren beschäftigt war. „Es wäre deutlich einfacher, wenn du kürzere Haare hättest", scherzte ich. „Heißt dass du magst meine langen Haare nicht", fragte er. „Nein, ich liebe deine langen Haare, sonst wärst du nicht Lukas", grinste ich verführerisch. „Wir sollten uns jetzt aufs Spiel konzentrieren", meinte Lukas unbeeindruckt. Wir betraten das Spielfeld. Ich schaute mich um. Das war meine Halle, hier hat alles begonnen. Es waren schon einige Fans da, die uns beim Warmmachen zu sahen. Es lief besser als ich gedacht habe. Mein Kopf tat gar nicht mehr weh und schwindlig war mir auch nicht mehr. Als wir uns zum Torwartwarmwerfen aufstellten, spürte ich Lukas ängstlich Blick auf mir. „Jetzt nach dir mal nicht in die Hose, mir geht's gut", flüsterte ich ihm zu. Er verdrehte die Augen. „Disse du bist", hörte ich Dule rufen. Ich wand mich wieder dem Tor zu und warf den Ball aufs Tor. Erst als wir dann aus den Positionen aufs Tor warfen, merkte ich meinen Kopf, wie er leicht pochte. Ich wollte mir nichts anmerken lassen. Normalerweise bin ich nicht der, der um jeden Preis spielen will, aber heute war das was anderes. Ich wollte so gerne vor meiner Heimat spielen. Außerdem hoffte ich, dass meine Mutter vielleicht unter dem Publikum ist.
Raffi:
Ich beobachtete Disse beim Sprungwurf, obwohl es nicht wirklich rund aussah, netzte er jeden Ball ein. Es beunruhigte mich trotzdem. Auch Lukas sah so aus, als wäre er nicht gerade erfreut über Disses Entscheidung. Bei seinen Würfen war viel Wut dabei. Eigentlich dachte ich, dass Disse weiß, wann er auf seinen Körper hören muss. Aber anscheinend wollte er um jeden Preis heute hier spielen. Beim Laufen sah dann alles wieder gut aus. Aber immer war immer noch nicht ganz wohl. Sollte ich ihn nochmal drauf ansprechen? Auf dem Weg in die Kabine nutzte ich die Gelegenheit. „Disse willst du wirklich spielen?", fragte ich. „Jetzt fang du nichts ich noch an. Ich weiß, wann ich auf meinen Körper hören muss", meinte er leicht genervt. Plötzlich blieb er ruckartig stehen, ich wäre beinahe in ihn hineingelaufen. „Was ist?", fragte ich besorgt. „Ich dachte jemanden gesehen zu haben", sagte er schnell. Ich wusste sofort, dass es nicht die Wahrheit war. In der Kabine ging Disse zu Alfred und redete mit ihm. Dieser nickte dann und klopfte Disse auf die Schulter. Lukas schaute besorgt ihnen dabei zu. Seit wann macht sich Lukas so viel Sorgen um Disse? Ich meine, sie waren eine Zeit lang beste Freunde, dann haben sie fast kein Wort mehr miteinander gesprochen und alles war verkrampft. Und gestern als Disse da lag, war Lukas so besorgt. Und heute ist auf einmal alles wieder gut zwischen den beiden? Seltsam! Was ist nur in letzter Zeit mit den beiden los? Hatte Andi doch Recht, dass sie vielleicht mehr als nur freundschaftliche Gefühle für einander haben. Nein! Das müssten wir doch merken. Alfred machte eine letzte Ansprache in der er volle Konzentration forderte. Danach stellten wir uns im Tunnel auf. Man konnte schon von hier draußen die Halle hören. Die Fans hatten Lust auf das Spiel. Der Hallensprecher sagte Disses Namen an und die ganze Halle jubelte. Jetzt könnte ich verstehen, warum er unbedingt Spielen wollte. Ich meine wer kommt nicht gerne zu seinem Jugendverein zurück. Er wirkte leicht nervös, soweit ich es von hier hinten beurteilen konnte. Dann bekamen wir das Kommando zum Loslaufen. „Auf geht's", schrie Dule und führte uns als Kapitän in die Halle. Die Stimmung war echt gut für eine kleine Halle. Ich durfte heute von Anfang an Spielen. Gerade begrüßten die Fans ihre Eulen. Niko wirkte etwas nervös. Ich ging zu ihm. „Beruhig dich, du bist viel besser als sie", munterte ich ihn auf. Das sollte jetzt nicht arrogant wirken, ich wollte nur das er auf sein Können vertraut. Er lächelte verlegen. „Alfred hat dir nicht umsonst den Vortritt überlassen", meinte ich. Er nickte dankbar. Er wirkte schon selbstbewusster. Dann stellten wir uns zum Spielergruß auf. Ich frage mich manchmal für was das gut sein soll. Unsere Spruch: „Hoffentlich verlieren wir nicht", klingt etwas merkwürdig ich weiß. Aber er ist es eben schon seit Jahren. Dann pfiffen die Schiris das Spiel an, wir hatten den Ball. Gleich die ersten Bälle nahm uns der junge Torhüter der Eulen weg. Ausgerechnet zwei von Niko, was nicht sein Selbstbewusstsein stärkte! Dann könnten wir uns durch eine gute Abwehr, die die Eulen zu Ballverlusten brachte, durch ein paar Gegenstöße langsam absetzen. Zu meiner Überraschung brachte Alfred Disse in der 15 Minute. Ich hätte nicht gedacht, dass er ihn so früh bringt. Aber Niko hatte einfach keinen guten Tag erwischt. Zur Halbzeit stand es 15:7. In der Kabine war gute Stimmung. Alfred war zufrieden, er forderte das wir weiter so konsequent weiterspielen sollen.
Lukas:
Mit immer noch einem mulmigen Gefühl ging ich neben Disse zurück aufs Spielfeld. Ich glaub noch kein Spiel hat mir so die Nerven gekostet, wie dieses jetzt. „Jetzt guck nicht die ganze Zeit so, als würde ich die nächsten zwei Sekunden tot umkippen", meinte Disse. Er sah es einfach nicht ein. Musste er es unbedingt übertreiben. Ich hatte gehofft, dass Alfred ihn jetzt runter nehmen würde, aber er hat leider gut gespielt. Ich nahm mir einen Ball und knallte ihn wütend an die Latte. Disse schüttelte nur lachend den Kopf. Er merkte es einfach nicht oder? Ich mach mir die ganze Zeit sorgen um ihn und ihn juckt es einfach nicht. Die zweite Halbzeit wurde angepfiffen. Es gelang uns auf zehn Tore davonzuziehen. Ich saß gerade auf der Bank und zitterte am ganzen Körper, als Disse zum Sprungwurf ansetzte. Einer der Abwehrspieler schubste ihn in der Luft. Der Ball landete im Netz und Disse stand zum Glück wieder auf. Ich atmete erleichtert durch. Ich glaube ich schwitze mehr, als wenn ich spielen würde. „Jetzt mach dir mal nicht in die Hosen", meinte Niko. „Ich hab nur Angst, dass er sich wieder verletzt. Bei jedem Kontakt den er bekam, zuckte ich zusammen. „Jetzt komm mal wieder runter, Disse ist nicht aus Zucker", Niko wirkte mittlerweile genervt von mir. „Ja, aber er hat sich schon so oft verletzt", warf ich ein. Niko gab auf weiter mit mir zu diskutieren. Erneut setzte er zum Sprungwurf an und wurde dabei geschubst und knallte mit voller Wucht auf den Boden. Ich zuckte zusammen. Er stand mit schmerzverzerrtem Gesicht auf und zeigte an, dass er ausgewechselt werden will. „Niko", forderte Alfred meinen Banknachbarn auf. Disse blieb noch in der Abwehr drin, war aber nicht mehr ganz anwesend und deswegen hatte Andi auch keine Chance, den Ball zu halten. Disse strauchelte in Richtung Bank. Ich hab's ihm gesagt. Niko ging für ihn aufs Feld. Er ließ sich neben mich auf die Bank fallen. „Alles gut", fragte ich besorgt. Automatisch hatte ich meine Hand auf seinen Oberschenkel gelegt. „Ja alles bestens", versicherte er, „mir ist nur etwas schwindlig." „Du musst es ja auch immer übertreiben", meinte ich beleidigt. Er trank erstmal seine halbe Flasche aus. „Pass auf nicht dass du noch aufs Klo musst", scherzte ich. Langsam kam ich wieder runter. Ich war beruhigt, dass Disse neben mir saß. Den Eulen gelang es noch auf viere Tore ranzukommen, weil wir in den letzten paar Minuten nicht gerade konzentriert gespielt haben. Endstand war dann 21:25. Wir standen auf und klatschten uns ab. Wir bedankten uns bei den Fans. Es war ein kleiner lautstarker Fanblock anwesend gewesen, der uns unterstützt hat. Bereits auf dem Weg in die Kabine kamen uns die ersten Fans entgegen die Autogramme wollten. Disse musste noch zum Interview. Ich beeilte mich an den Fans vorbeizukommen. Ich wollte mir erst was anderes anziehen, dann können wir uns den Fans widmen. Ich war gerade mal in der Kabine angekommen, da war Niklas schon wieder auf dem Weg nach draußen. Ich wartete bis Disse vom Interview zurückkehrte. Die meisten waren bereits schon draußen und verteilten Autogramme. „Da ist fast kein Durchkommen mehr, die Blockieren den ganzen Eingang", berichtete Disse. Er zog sich sein Trikot über den Kopf, sodass ich einen perfekten Ausblick auf seinen durchtrainierten Oberkörper hatte. Ich hatte ihn schon oft oberkörperfrei gesehen, trotzdem konnte ich es nicht lassen ihn anzustarren. Mir waren schon öfters die Narben an seinem Rücken aufgefallen. Woher er die wohl hatte? Plötzlich landete sein verschwitztes Trikot auf meinem Kopf. „Starr mich nicht so an", beschwerte er sich. Zu meiner Enttäuschung zog er sich gerade das Aufwärmshirt über den Kopf, sodass dieses wieder seinen Oberkörper bedeckte. Ich warf sein Trikot wieder zurück und stand auf. Wir gingen den Gang entlang Richtung Spielfeldeingang. Dort war die Hölle los. Überall standen Leute die drängelten um Autogramme zu ergattern und mittendrin, Niklas, Dule, Andi und Steffen. Ich könnte das nicht. Das wären mir eindeutig zu viele Menschen aufeinmal. Wir blieben weiter hinten und versorgten dort die Fans. Um Disse hatte sich bald eine Menschenmenge gebildet. Nachdem keiner mehr zu mir wollte, entschied ich mich dazu mir was zu trinken zu holen. Auf dem Weg begegnete ich Raul. „Hier ist echt die Hölle los", meinte er. Ich könnte ihm nur zu stimmen. „Ich werd dann mal mein Glück versuchen aus dem Getümmel rauszufinden", meinte er. „Viel Glück", wünschte ich. In der Kabine schnappte ich mir eine kühle Cola, welche die Betreuer bereitgestellt hatten. Ich begegnete Alfred. „Wie lange denkst du dauert das noch?", fragte er. „Das kann sich noch um Stunden handeln", schätzte ich. Alfred schüttelte lachend den Kopf. „Dann können wir froh sein, dass wir den späteren Zug gebucht haben", meinte er. Ich verließ dann die Kabine mit meinem Getränk. Mittlerweile hatte sich die Menschenmenge aufgelöst. Disse redete mit dem Typ von vorhin. Ich kannte ihn nicht. Anscheinend ein guter Freund von ihm. Ja, ich muss gestehen ich war eifersüchtig. Ich lehnte mich gegen die Tür und hörte ihnen zu, währenddessen ich meine Cola genoss. Zum Glück stand Disse mit dem Rücken zu mir und merkte so nicht, dass ich ihn belauschte. „Wie lange ist es jetzt her?", fragte der Typ. Ich glaub er hieß auch Christian. „Schon ein zwei Jahre", antwortete Disse. „Wir haben oft zusammengespielt", meinte Christian. „Ja, früher in der Jugend und dann in Lübbecke unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt", erinnerte sich Disse. „War auf jeden Fall mal wieder schön dich zu sehen", meinte der andere. „Joa, man sieht sich, spätestens beim nächsten Spiel wo wir uns gegenüber stehen", meinte Disse. Sie umarmten sich zum Abschied und dann ging der andere Typ wieder. Erneut kam ein bekannter von Disse her. Wie viele Bekannte hat er denn noch? Dann kamen Felix und Baumi die ich auch kannte. Sie redeten etwas dann verabschiedeten sich die beiden und dann war Disse endlich alleine. Ich kam auf ihn zu. „Wie lange stehst du da schon?", fragte er. „Lange genug", sagte ich. „Ich kann doch", meinte er und nahm meine Flasche und trank einen Schluck. Er gab mir die Flasche wieder. Wir wollten gerade Richtung Kabinengang verschwinden, als ein Mann auf uns zu kam. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen. „Nils, was machst du denn hier?", sagte Disse erschrocken. Ich merkte wie er unsicher wurde. Wer ist dieser Typ?
Eindeutig mein längstes Kapitel😂🙈! Ich konnte nicht aufhören zu schreiben😂🙈 Hoffe es hat euch gefallen❤️.

Spiel um Spiel, Lüge um Lüge und wann sieht er es ein?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt