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Lukas:
Wenn man schlafen geht soll man die Sorgen in die Schuhe stecken.
Diesen Spruch hat meine Mutter immer gebracht, wenn ich nicht schlafen konnte. Genau das ist gerade der Fall. Aber man sagt das immer so leicht: die Sorgen in die Schuhe stecken. Ich kann doch nicht mein Gehirn aus dem Kopf reißen es in meine Schuhe legen und hoffen, dass ich dann schlafen kann. Unruhig wälzte ich mich hin und her. Ich hab so gut wie alles versucht. Sogar das gute alte Schäfchen zählen hat nicht funktioniert. Mein Kopf will einfach keine Ruhe geben. Ständig schwirren mir irgendwelche Fragen im Kopf umher. Wo ist meine Mutter? Weiß mein Vater schon Bescheid? Wie lange dauert es bis sie das Hotel stürmen, mich in einem Kerker sperren und ich erst wieder raus darf, wenn ich dazu bereit bin Anna zu heiraten? Das klingt fast wie in so einem Märchen. Fehlt nur noch das mich Disse heldenhaft aus dem Kerker befreit. Bei diesem Gedanken musste ich lachen. Ich stellte mir vor wie ich verzweifelt wie Rapunzel einen Turm eingesperrt bin und mein Haar herunterlasse um Disse hinaufklettern zu lassen. Aber wahrscheinlich würde mein Kopf abbrechen, wenn sich Disse dranhängst. Können Köpfe überhaupt einfach so abbrechen. Immer wieder schaute ich auf mein Handy und wartet darauf, dass er mir gute Nacht wünsche. Es war bereits 2:16 in der Nacht und morgen muss ich um 7:30 beim Frühstück sein. Ich kann mir nicht noch einen Ausrutscher erlauben. Immer wieder bin ich kurz davor auf anrufen zu drücken. Aber er wird wahrscheinlich schon längst schlafen. Jedoch hat er gesagt, dass ich ihn jeder Zeit anrufen kann. Ich brauch ihn einfach. Wenn er wüsste wie unerträglich es hier ohne ihn ist. Ich versuchte mir die ganze Zeit vorzustellen, dass er neben mir liegt in der Hoffnung, dann einschlafen zu können, doch dies funktioniert nicht wirklich. Neben mir lag nur ein schmatzender und sabbernder Jerry Tollbring, der nicht annähernd so aussieht wie Disse. Ich werd hier drinnen noch wahnsinnig. Ich stand auf und schlüpfte in meine Hausschuhe. Ich streifte mir ein T-shirt über und ging leise über den Hotelflur. Vielleicht hilft frische Luft auf andere Gedanken zu kommen. Es war mucksmäuschenstill auf dem Hotelflur. Ich öffnete vorsichtig die Eingangstür und ließ mich auf der Bank vor dem Hotel nieder. Erinnerung an das Trainingslager anfangs der Saison kamen hoch. Disse und ich haben uns abends öfters nach draußen geschlichen und sind einfach zusammen spazieren gegangen.
Mit zittrigen Füßen versuchte ich so leise wie möglich das Zimmer zu verlassen. Ich hatte Glück, das Niki einen recht tiefen Schlaf hatte. „Was machst du?", hörte ich Nikos Stimme, welche mich erschrocken zusammen zucken ließ. Erleichtert stellte ich fest, das er noch tief und fest schlief. Vorsichtig öffnete ich die Tür. Auf dem Flur war es still. Kein Disse! Hatte er mich versetzt? Es war seine Idee gewesen. Ich wusste nicht mal genau in welchem Zimmer er jetzt war. Dann wurde eine Zimmertür geöffnet. Panisch schaute ich mich um, ob hier irgendeine Versteckmöglichkeit ist. „Psst ich bin's", flüsterte Disse und ich atmete erleichtert auf. „Musst du ich so erschrecken", beschwerte ich mich. „Ich wusste nicht, dass du schon da bist", verteidigte er sich. „Was willst du jetzt machen?", flüsterte ich. Er griff nach meiner Hand und zog mich den Hotelflur entlang. „Wir sollten leiser sein", erinnerte ich ihn. „Ach glaub mir, Alfred schläft wie ein Baby", versicherte mir Disse. Einerseits würde mich interessieren woher er das weiß, andererseits will ich es gar nicht wissen. „Du zerbrichst dir jetzt nicht darüber den Kopf, das ich gesagt hab, dass Alfred wie ein Baby schläft", prustet er. Energisch legte ich meinen Finger auf seine Lippen, er sollte verdammt nochmal leise sein. Ich hab keine Lust darauf erwischt zu werden. Er schmunzelte und automatisch strich mein Finger seine Lippen entlang. Ich wusste auch nicht, was ich hier gerade mache. Wir standen mitten in der Nacht auf dem Hotelflur und starrten uns gefühlte Stunden in die Augen. Wir hörten das Quietschen einer Tür. Ich erstarrte zu einer Statue. Hätte Disse mich nicht in eine Nische gezogen, wär mir Sprengi direkt in die Arme gelaufen. Ich spürte wie mein Herz gegen meinen Brustkorb klopfte, während Sprengi mit wachsamen Blick den Flur absuchte. Ich hab Disse gesagt er soll leise sein. Ich wusste nicht mal wieso mein Herz verrückt spielt. Liegt es daran, dass ich panisch Angst hab, dass Sprengi uns erwischt, oder daran, dass Disse und ich zusammengedrückt in einer Nische stehen und kein Blatt mehr zwischen uns passt und ich seinen Atem mir entgegen hauchte. Die Schritte entfernten sich wieder. Wir warteten bis die Tür wieder geschlossen wurde. Ich atmete erstmal tief durch. Ich hab vor lauter Panik vergessen zu atmen. Ich spürte Disses Hand  eine Strähne vorsichtig aus meinem Gesicht strich. „Entspann dich", hauchte er. „Wie soll ich mich entspannen. Ich stehe mitten in der Nacht an dich gequetscht in einer Nische und wir wären beinahe erwischt worden", sprudelte es aufgebracht aus mir heraus. „Es ist voll süß, wie du dir Sorgen machst", schmunzelte Disse belustigt. „Ich find das hier nicht lustig, ich hab keinen Bock erwischt zu werden", entgegnete ich. „Pussy", kam es daraufhin von Disse. Da mir die ganze Sache so unangenehm war und ich keine Lust hatte weiter mit ihm zu diskutieren, wollte ich gerade aus der Nische gehen, als sich seine Hände an meine Taille legten und mich zu sich zogen. Ich spürte wie mein Herz wieder schneller zu schlagen anfing. Seine glasigen Augen schauten mich an. „Disse.. was wird das hier", stotterte ich. „Schließ die Augen und genieß es", hauchte er. Ich hätte mir allem gerechnet aber nicht damit. Seine Lippen legten sich vorsichtig auf meine. Erst zuckte ich erschrocken zusammen. „Schließ die Augen", nuschelte Disse. Ich wusste nicht wie es mir geschah, jedoch tat ich das was er forderte. Es war nicht das erste Mal, dass seine und meine Lippen sich berührten. Ich wusste selbst auch nicht was das zu bedeuten hatte. Wir haben nie drüber geredet, weil es uns beiden anscheinend nichts bedeutete. Doch wenn ich gestehen muss, dass seine Küsse mich derartig benebeln. Ich weiß nicht mal mehr wo vorne und hinten ist. Ich vergesse einfach alles um mich herum. Es gab nur Disse und mich und halt die Nische. Langsam knabberte seine Zähne an meiner Unterlippe und ich musste mir ein Stöhnen verkneifen. Was treiben wir hier nur? Wenn irgendjemand von dem was wir so treiben wüssten. Ich wette wir würden beide aus der Mannschaft fliegen. Ich hätte nie gedacht, dass es mich jemals erfreuen würde mit einen Mann rumzumachen. Ich spürte wie seine Hand langsam zum meiner Boxershorts hinabglitt. Er wird dich nicht ernsthaft hier. Doch ehe ich realisierte was hier passierte, war sie bereits darin verschwunden. Ich wollte gerade nach seiner Hand greifen und ihn bitten es zu lassen, doch seine Hand hatte bereits meinen Penis gegriffen. Ab jetzt konnte ich nicht anders. Ich musste mich echt zusammen reißen, nicht laut loszudrehen, während er mein bestes Stück massierte. Was tun wir hier nur? Wir bewegen uns echt auf Messers Schneide. Ein lauter Ton und einer der Betreuer erwischt uns. Ich mag gar nicht denken, wie die reagieren würden. Abe enoch schlimmer als Michael Menzel, wäre zum Beispiel Dule oder irgendein anderer Mannschaftskollege. Was würden die von uns denken? Das wir schwul sind? Ich spürte wie Disses Hand langsam wieder aus meiner Boxershorts kam. Seine Lippen legten sich wieder um meine und seine Zunge drang gierig ihn meinen Mund ein. Dann löste er sich von mir und wir schauten uns wenigen Minuten tief in die Augen. Gerade wollte ich irgendetwas sagen, wieso er das immer wieder macht, doch da war er bereits aus der Nische verschwunden und verschwand wieder auf seinem Hotelzimmer. Ich hörte noch wie die Tür ins Schloss fiel. Sein Ernst. Das war's. Wieso macht er das? Mit dieser Frage schlich ich zurück aufs Zimmer. Warum gefällt es mir auch noch? Erschöpft ließ ich mich aufs Bett fallen. An schlafen war in dieser Nacht nicht mehr zu denken.
Erschrocken zuckte ich aus dem Schlaf hoch. Mit verschwommenen Augen sah ich mich im Zimmer um und stellte fest, das bereist die Sonne schien. Hab ich das alles geträumt? Total verwirrt richtete ich mich auf und für mir durchs Haar. Die Badtür wurde geöffnet und ein oberkörperfreier Jerry spazierte ins Zimmer. „Morgen auch schon wach", lautete seine Begrüßung. Komplett überfordert mit der Situation ließ ich mich zurück fallen. „Du redest übrigens im Schlaf", erwähnte Jerry, während er sich ein T-shirt überzog. „Wirklich interessant. Mich würd echt interessieren was deine Freundin davon sagst, dass du im Schlaf Disse stöhnst", sagte er amüsiert. Hab ich das wirklich. Ich merkte wie mein Gesicht immer mehr die Farbe einer Tomate annahm. „Keine Sorge! Ich werd es schon niemanden sagen", meinte Jerry und grinste. „Ach ja übrigens das Bad ist frei, du solltest dich beeilen in zehn Minuten gib es Frühstück", erinnerte er mich und ließ sich gelassen auf sein Bett fallen. Seine Lockerheit verunsichert mich. Er ist gerade mal ein Jahr älter als ich und so vor reifer. Immer wenn ich in der Nationalmannschaft auf ihn treffen fühle ich mich so unreif, obwohl ich deutlich älter aussehe als er. Sein Aussehen täuschte. Immer noch schockiert trottete ich ins Bad und kippte mir erstmal eine Hand voll kaltes Wasser ins Gesicht. Wieso muss ich im Schlaf reden? Ich beeilte mich, da ich keine Lust hatte auch noch zu spät zum Frühstück zu kommen. Als ich aus dem Bad kam stellte ich erleichtert fest, dass Jerry noch da war. „Können wir?", fragte er. Ich nickte und zog schnell noch meine Hausschuhe an. Auf dem Gang begegneten wir Tobias Karlsson der uns freundlich begrüßte. Das Frühstück verlief wie immer sehr unterhaltsam. Niclas hatte sich neben mich gesetzt und fragte ob alles ok sein. Ich nickte. Bis auf die Tatsache, dass ich mich vor Jerry blamiert habe. „Ist das normal, das Lukas im Schlaf Namen stöhnt?", fragte Jerry Niclas, woraufhin ich ihn einen warnenden Blick zu warf, weil die volle Aufmerksamkeit jetzt bei uns lag. „Kein Ahnung. Musst du Niko fragen, der teilt sich mit Lukas ein Zimmer", wich Niclas aus. „Stimmt hab ich verwechselt. Niko, Niclas ist doch alles dasselbe", meinte Jerry und alle lachten ihn aus. Ich widmete mich wortlos meinem Frühstück. Ich hoffe nur, dass sie mich beim Training mit diesem Thema in Ruhe lassen.

Liv:
Ich war so aufgeregt, als ich im Hotelzimmer aufwachte. Ferien! Lissabon! Unser erster gemeinsamer Urlaub. Disse schlief noch tief und fest. Da ich eh meine Zeit im Bad brauche, beschloss ich schon mal ins Bad zu gehen. Ich brauch nicht wirklich lange, aber meine zehn Minuten will ich in Ruhe für mich haben. Ich gehöre nicht zu den Mädchen die Tonnen an Schminke in ihre Gesicht klatschen. Ich trug nur etwas Wimpertusche auf. Dann band ich meine lockigen Haare zu einem Dutt zusammen. Schon war ich fertig. Noch schnell ein Top und eine Hotpants angezogen dann war ich fertig für den Tag. Als ich ins Zimmer kam war Disse mittlerweile bereits wach. „Morgen", brummte er. „Guten Morgen", flötete ich gut gelaunt. „Bist du schon lange wach?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Dann stand er auf und verschwand ebenfalls im Bad. Ich setzte mich aufs Bett und checkte meine Nachrichten. Ich hatte ein paar Nachrichten von meinen Freundinnen und aus der Mannschaftsgruppe. Ich antwortete meinem Trainer der erkundigte, wer alles beim Turnier Anfang August am Start ist. Da ich leider immer noch nicht spielen konnte schrieb ich trotzdem, dass ich dabei sein werde und sie von der Bank aus unterstützen werde. „Kommst du?", fragte Disse, der angezogen im Zimmer stand. „Ja ich sterbe vor Hunger", gestand ich und folgte ihm runter zum Speisesaal. Nach dem Frühstück beschloss wir etwas solange es noch nicht all zu heiß ist etwas die Stadt zu erkunden. Doch was uns auf dem Weg erwartet, damit hat wohl niemand von uns beiden gerechnet.
Hoffe das Kapitel hat euch gefallen❤️

Spiel um Spiel, Lüge um Lüge und wann sieht er es ein?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt